Archive for the 'Sprachgefühl' Category

Sag mir, wo die Präpositionen sind, wo sind sie geblieben?

Erinnert Ihr Euch noch an den Witz, in dem es ursprünglich um einen Mantafahrer (später dann vermutlich: eine Blondine) ging, dessen „nach Aldi“ von einer anderen Person durch „zu Aldi“ korrigiert wurde und der dann erschreckt feststellte „Was, schon halb sieben“? Seid Ihr mit mir in den frühen Neunzigern angekommen? Gut.

Heute sehne ich mich nach Zeiten zurück, als jeder, aber auch jeder, diesen Witz verstanden hat. Arge Zweifel, ob die bescheuerten U-Bahn Teenager diesen Witz überhaupt noch verstehen, befallen mich, wenn ich Telefonate mithören muss, die üblicherweise mit „Isch bin Hauptbahnhof“ oder „Ich bin Kellinghusenstraße“ anfangen.

Diskutiert mit, ob falsche Präpositionen besser sind als gar keine.

(Überlege außerdem, ob eine neue Kategorie „Ich bekenne ein intoleranter, pedantischer Sack zu sein“ angebracht wäre.)

Baggerverbot

Nach überstandenen Beachvolleyballmeisterschaften ein Appell an die Journaille: Könnt Ihr bitte (bitte, bitte) auch mal einen Artikel über Beachvolleyball schreiben, in dem in der Überschrift nicht ein vollkommen abgelutschtes Wortspiel mit „baggern“ vorkommt? Fällt Dir, liebe Journaille, nicht auf, dass das jeder schreibt und deswegen seit gefühlten 1000 Jahren nicht mehr erträglich ist?

Wasn Scheiß

Dass man das praktische, eingedeutschte Wörtchen „Hit“ niemals in einer Wortzusammensetzung nutzen sollte, die ein Fugen-S erfordert, hat mir heute Amango in der Ankündigung von Junebug bewusst gemacht:

Diese einfühlsame Tragikomödie wurde beim Sundance Filmfestival 2005 als Erfolgshit gefeiert.

Überhaupt: Erfolgshit. Wasn das fürn Scheißwort?

Unvorteilhafte Firmennamen (1)

Mal wieder bei Spiegel Online reingeschaut:

„Das jedenfalls war der Traum von Jean Bertin. Der Ingenieur hatte 1956 seine Stelle beim Triebwerke-Hersteller SNECMA aufgegeben, […]“

Terror 2.0

Diese Sicherheitsgeschichte treibt immer absurdere Blüten. Zuerst waren es nur staatliche Stellen, Fluggesellschaften, Stadionbetreiber und andere Organisationen, die „aus Sicherheitsgründen“ Dinge nicht mehr gestatten, die vorher nie ein Problem waren. Die Generalentschuldigung „aus Sicherheitsgründen“ funktioniert noch viel besser als das „wir wussten ja von nichts“, das ich zum Glück nie von meinen Großeltern zu hören bekam. Warum darf ich meine Zahnpasta nur in einen Tiefkühlbeutel verpackt mit ins Flugzeug nehmen? Aus Sicherheitsgründen. Warum darf ich meine Kamera nicht mit ins Stadion nehmen? Aus Sicherheitsgründen.

Langsam aber sicher setzt ein Bequemlichkeitsdenken ein. Sobald einer die Sicherheitskarte zieht, muss man nicht mehr nachdenken, denn „die Sicherheit“ ist ja das allerhöchste Gut.

Richtig bedrückend hingegen ist es, wenn „Sicherheit“ nicht mehr nur von den oben genannten Institutionen vorgeschoben wird, sondern langsam in den Alltagssprachgebrauch durchsickert. Vorletztes Jahr schrieb ein Kollege eine Mail, in der er darauf hinwies, dass er „aus Sicherheitsgründen“ einige Dateien in unserem Softwareprojekt gelöscht habe. Na gut, wenn’s denn der allgemeinen Sicherheit dient…

Heute morgen gab es in den Nachrichten des Deutschlandfunks eine Meldung zur Freilassung der kolumbischen Wahlkampfmanagerin Rojas:

Ihre gestern freigelassene ehemalige Wahlkampfmanagerin Rojas sagte in einem Rundfunkinterview, sie habe seit drei Jahren nichts von Ingrid Betancourt gehört. Die Rebellen hätten sie aus Sicherheitsgründen getrennt.

Bitte? Aus Sicherheitsgründen? Die Entführer? Klang das etwa so: „Zu Ihrer eigenen Sicherheit trennen wir Sie und die Präsidentschaftskandidatin, damit sie nicht einen Fluchtversuch aushecken, bei dem Sie unter Umständen gefährdet würden?“ Kann man die Entführer vielleicht sogar haftbar machen, wenn sie durch Nichteinhaltung von Sicherheitsvorgaben die Sicherheit der Entführten billigend aufs Spiel gesetzt haben?

Gut zu wissen, dass die allgemeine Wachsamkeit und das Sicherheitsbewusstsein so hoch ist, dass auch bei Entführungen auf die Sicherheit wert gelegt wird.

Anders formuliert: Hey, Deutschlandfunk, bitte mal den Kopf anschalten in der Nachrichtenredaktion und nicht nur Phrasen nachblöken.

Lexikalische Lücke

Steve Jobs bei der Präsentation der iPods im September 2006:

In the US, of all the musical releases in 2006, 32% of them were digital only releases, which means they were not released on a CD.

Dass Jobs die CD von digitaler Musik abgrenzt, wirkt auf den Technik-affinen Menschen seltsam; war es doch die Einführung der CD, die den Übergang von analoger Tonkonserve hin zu einem digitalen Speichermedium markierte. Nun konnte man mit der CD allerdings nicht soviel machen, wie man das mit Musik in aktuellen digitalen Formaten konnte: Computer waren noch nicht leistungsfähig genug und die Speicherkapazitäten zu gering für die 650 MB, die die CD ursprünglich fasste. Die Flexibilität, die heute mit digitalen Daten assoziiert wird, passte für CDs nicht, also werden CDs bis heute nicht als digital wahrgenommen. Außer natürlich bei den CD vs. Vinyl Grabenkämpfen, die hier aber keine Rolle spielen sollen.

Mir ist dieser Widerspruch vor ein paar Jahren aufgefallen, als die ersten iPods Einzug in den Freundeskreis hielten. Jeder der Musik liebenden Freunde war Stunden/Tage/Wochen damit beschäftigt, seine CD Sammlung in ein für den MP3-Spieler verwertbare Form zu übertragen. Es fehlte allerdings ein passendes Verb für diesen Vorgang, mit dem man auch dem Laien verständlich machen konnte, womit man das Wochenende verbracht hat.

Wie die Freundin S. damals sagte: „E. hat das ganze Wochenende Musik digitalisiert.“

Digitalisiert? Nee, die Musik war schon digital, dachten E. und ich als Techniker, nur halt zu platzintensiv. Aber wie nennt man das sonst?

Rippen? Kann sich keiner was drunter vorstellen, außerdem ist das ja nur das bloße Kopieren der CD auf den Rechner, es fehlt das umkodieren in MP3. Herunterrechnen? Dass bei dem Vorgang gerechnet werden muss, versteht nur der, der grob weiß, wie MP3 funktioniert. Komprimieren? Mag ja technisch korrekt sein, aber wegen der Verständlichkeit: s.o. MP3en? Komm, geh nach Hause und sortier Deine „Herr der Ringe“-Sammelkarten.

Mir fiel dieser Tage entkörpern ein, löst man doch die Musik von dem physischen Tonträger. Hat zwar den Vorteil kein Fremdwort zu sein, ist aber eine Ecke zu feuilletonistisch. Vielleicht ist es an der Zeit, ein seit dem Verschwinden der Cassette vernachlässigtes Wort wieder aufzugreifen: überspielen, bzw. als phrasales Verb auf den Computer überspielen. Klingt ein wenig retro und trägt ein wenig Selbstironie — ist also unendlich hip und charmant.

Vorschläge bitte in die Kommentare!

Über Abkürzungen (üb. Abk.)

Es gibt ja so ein paar Abkürzungen, die gehen gar nicht: Zum Beispiel solche, die durch die Nazis in den Sprachgebrauch eingeführt wurden. Es ist kein Zufall, dass man das Bundesland Niedersachsen nicht mit „NS“, sondern mit „NI“ abkürzt, Sachsen-Anhalt mit „ST“ und nicht mit „SA“.

In der Software, mit der ich beruflich zu tun habe, strotzt es nur so vor „KZ“, dort jedoch nicht als Konzentrationslager, sondern als Abkürzung für „Kennzeichen“. Könnte ich nicht. Könnte ich nicht so programmieren. Eine Aufforderung wie „Bitte Funktions-KZ eingeben: “ würde mir nicht aus den Fingern fließen. Die Leute gucken auch immer komisch, wenn ich das bei der Benutzung des Programms als „Funktions-Konzentrationslager“ vorlese.

Eher in die Kategorie der historisch Unsensiblen gehört auch die Pressestelle des Kernkraftwerks Krümmel. Die Email-Adresse, bei der man sich über das Kernkraftwerk informieren kann, lautet kkkinfo@t-online.de.

Mal von der Unprofessionalität einer T-Online Mailadresse abgesehen („Kann der Lehrling gerade mal ins Internet gehen und gucken, ob uns jemand in dieser Woche schon eine Email geschrieben hat?“), finde ich diese Kombination ganz, ganz entzückend. Kann mich schwer zurückhalten, eine Mail zu schreiben, in der ich mich nach spitzen weißen Hüten und der nächsten traditionellen Negerverbrennung erkundige.

Interessantes Parteiamt bei den Hamburger Grünen

Aus dem Hamburger Abendblatt von heute:

GAL-Kreischefin Dorothee Freudenberg nannte Müllers Kandidatur ‚ein Risiko für die Partei‘.

Obwohl ich den Satz dreimal gelesen habe und es für journalistisch nicht ganz einwandfrei hielt, fand ich doch nichts ungewöhnlich daran, dass die Grüne Alternative Liste eine Kreischerin hat. Konnte ich mir sogar recht gut vorstellen, die Situation.

Später dann doch fest gestellt, dass ich mich nur verlesen habe.

Sprachliche Selbstkritik

Ab und zu kommt es mal vor, dass mich Leute nach einer Schreibweise oder Formulierung fragen. In den meisten Fällen kann ich auch mit einer Antwort aufwarten, die den Fragenden zufrieden stellt.

Heute drehe ich den Spieß herum und richte mich mit einer Frage an die Leserschaft, in der sich ja auch die eine oder andere Person befindet, die dem guten Stil und der grammatischen Wohlgeformtheit nicht abgeneigt ist.

Vor ein paar Tagen schrieb ich:

Es ist grauenhaft, dieses herablassenhaft behandelt werden.

Irgendetwas ist falsch an diesem Satz. Es fehlt ein groß geschriebenes Wort in der Nominalphrase hinter dem Komma. Es handelt sich dabei einwandfrei um ein Gerundium (also das Phänomen, dass ein Verb zum Nomen wird, wie in „laufen“ und „das Laufen“). Also muss irgendetwas den Kern dieses Ausdrucks bilden. Aber was? „Herablassenhaft“? Nö, ist ja ein langweiliges Adverb. „Behandelt“? Hm. „Werden“? Ist ja nur ein Hilfsverb. Oder habe ich die neue Getrenntschreibung zu weit getrieben und es heißt „dieses Herablassenhaftbehandeltwerden“? Bin ratlos.

Oder bin ich auf dem stilistischen Holzweg? Jage ich einem Phantom hinterher? Schreit die Leserschaft gar „Argh, wie kann dieser Sprachverhunzer nur eine passive Verbalphrase nominalisieren? Geht gar nicht!“? Klingt ein solcher Ausdruck für alle außer mich so schräg, dass er nur als grenzwertig wohlgeformtes Deutsch durchgeht? Oder sogar die Grenze zur Ungrammatikalität überschreitet und für andere Ohren schlicht falsch klingt?

Hilf mir, oh sprachkundige Leserschaft, hilf einem ausrangiertem Linguisten!

Astronomisch schlechte Komplimente

Immer mal wieder hört man das Wort „Shooting Star“ als Kompliment für einen jungen, kometenhaft aufstrebenden und erfolgreichen Menschen. Diese Aussagen sind immer positiv konnotiert.

Warum eigentlich?

Zuerst ein Wort zum „kometenhaften Aufstieg“: Wieso eigentlich Aufstieg? Steigen Kometen? Die Dinger fliegen doch eher sehr lang und sehr allein durchs Weltall. Aufgestiegen ist da nichts.

Ein shooting star ist auf Deutsch eine Sternschnuppe. Was zeichnet eine Sternschnuppe aus? Sie blitzt kurz auf, ist hübsch anzusehen und verglüht dann ganz, ganz schnell. Nicht gerade etwas, das durch besondere Nachhaltigkeit besticht. Das lässt das Kompliment in eher zweifelhaftem Licht dastehen. Um es mit einem Titel der ewig unterschätzten EMF zu sagen: „The Light That Burns Twice As Bright Burns Half As Long“.