Italienische Reise (Teil 3 & Schluss)

Die erste Nacht, nachdem ich wieder zum vertrauten Reiseverbund dazugestoßen war, verbrachten wir in einem Olivenhain außerhalb von Messina. Am nächsten Tag wollten wir auf dem Weg nach Norden ein ganzes Stück Strecke hinter uns legen, um vor der endgültigen Rückkehr nach Innsbruck noch ein paar Tage in der Toskana zu verbringen. Nur noch ein paar Tage, dann sollte es geschafft sein, ich wäre wieder zu Hause und könnte diese Reise ad acta legen. Vor der Rückfahrt graute mir etwas. Warum ich mich nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt am nächstbesten Bahnhof habe absetzen lassen, um die Gruppe, in der ich mittlerweile zum totalen Außenseiter geworden war und das Auto, das mit gutem Willen als rollende Zeitbombe zu bezeichnen war, hinter mir zu lassen, ist mir heute schleierhaft. Vielleicht waren es die letzten Fragmente eines rheinischen Katholizismus, die mir befohlen, all dies zu ertragen. Oder aber einfach meine tiefe Zuneigung zum Cousin M. und dass ich unsere langjährige Freundschaft nicht aufs Spiel setzen wollte.

Am Mittwoch, dem 14. August saß M. viel zu lang am Steuer: Von Reggio di Calabria bis ungefähr Neapel. Musste er auch, war er doch zu diesem Zeitpunkt der einzige von uns, der das Monster von Auto noch halbwegs unter Kontrolle halten konnte. Der Auspuff war mittlerweile ganz ab (mein schöner Hartschaltenkoffer hatte eine hitzebedingte Ausbeulung, weil er an der Stelle im Kofferraum lag, an der die heißen Abgase direkt auf den Fahrzeugboden wirkten) und — was noch schlimmer war — die Bändigung der Lenkung erforderte Konzentration und Feinfühligkeit, wie sie einem Löwenbändiger zur Ehre gereicht hätten. Doch irgendwann waren auch seine Kräfte erschöpft, M. bat um Ablösung am Steuer. Ich erklärte mich bereit und übernahm.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch kein so erfahrener Autofahrer. Den Führerschein besaß ich seit fast zwei Jahren, bin auch viel gefahren in der Zeit, aber eine gewisse Coolness im Verkehr habe ich mir erst beim Essenausfahren während des Zivildiensts erarbeitet. Bis dahin sollte es noch einige Monate dauern. So fühlte ich mich etwas überfordert, als ich beim Überholversuch von einem dramatisch schnellen, wild lichthupenden und blinkenden Fahrer, der von hinten kam, abgedrängt wurde. Ich brach den Überholvorgang ab, zog das Steuer einen Tick zu schnell nach rechts und verlor die Kontrolle über den Wagen. Beim AUfprall auf die Leitplanke gab es einen Krach, das Auto wurde wild durchgeschüttelt. Als ich wieder klar denken konnte, standen wir auf dem rechten Seitenstreifen, das Auto war nun auch offiziell Schrott. Keinem der Insassen war etwas passiert, der Schock war aber groß.

Zuerst waren wir ratlos, was nun zu tun sei. Wir mussten zuerst runter von der Autobahn, aber der Fiat ließ sich beim besten Willen nicht mehr in Bewegung setzen. Die Frontpartie war doch ein wenig sehr eingedrückt. Selbst wenn wir es aus eigener Kraft noch von der Autobahn herunter geschafft hätten, wären wir mit dem Auto niemals mehr bis nach Österreich gekommen. Guter Rat war teuer — doch irgendjemand kam auf den rettenden Gedanken: die Benzingutscheine. Waren wir durch den Besitz des Gutscheinhefts nicht quasi Mitglied im ACI, dem Automobile Club d’Italia? Aber klar. Da war doch eine Unfallversicherung drin. Also riefen wir den Abschleppwagen, der wenig später aus der nahe gelegenen Ortschaft San Cesareo, knapp 30 km von Rom entfernt, heranrollte. Der Fahrer lud uns auf den Wagen auf und schleppte uns zu seiner Werkstatt.

Der Fahrer war nicht besonders begeistert von unserem Notfall, er witterte Ärger, war aber doch hilfsbereit und gestattete uns, auf dem Grundstück neben seiner Werkstatt unser Lager für die Nacht aufzuschlagen. Wir wollten erstmal schlafen und uns am nächsten Tag in aller Ruhe um die weiteren Dinge kümmern: Wie kommen wir nun nach Hause? Was machen wir mit dem Schrottauto?

Am Morgen des 15.08. berieten wir, was nun zu tun sei. Wir fragten den Werkstattinhaber, ob er unseren Fiat Bronski verschrotten könne. Er machte uns jedoch sehr deutlich, dass er mit unserem Auto in diesem Zustand nichts anfangen könne. Er könne kein ausländisches Auto, das nach Italien eingeführt worden sei, einfach so verschrotten. Das wäre Steuerhinterziehung, weil er ja gar nicht beweisen könne, dass er das Auto nicht verkauft habe. Wir haben ja auch gar keine Eigentümerurkunde dabei. Ohne das könne er den Wagen unmöglich zur Schrottpresse bringen.

Erster Ansprechpartner in dieser unerfreulichen Situation war für uns die österreichische Botschaft in Rom, von der wir hofften zu erfahren, wie wir mit dem schrottreifen Auto verfahren sollten. Doch leider erreichten wir an diesem Donnerstagmorgen dort niemanden am Telefon. Niemanden. Auch bei der deutschen Botschaft erreichten wir kein Personal, lediglich der Hausmeister ging ans Telefon und erklärte uns, dass heute der 15.08. sei, Ferragosto, einer der höchsten Feiertage Italiens. Außerdem sei morgen Freitag; in Kombination mit dem Feiertag hätten keine Chance, vor Montag jemanden zu erreichen!

Ich war am Boden zerstört. 30 km von Rom entfernt, mit einem schrottreifen Auto im Gepäck, an einem Feiertag vor einem langen Wochenende. Und unser unfreiwilliger Gastgeber schien auf eine Lösung zu warten, auch gerne noch bevor er den Feiertag richtig begänne. Es war zum Heulen. Uns war klar, dass wir vor Montag nichts erreichen würden und verdammt waren, hier auf diesem Acker zu warten. Ich wollte nur noch nach Hause.

Die anderen aber ließen sich nicht so leicht unterkriegen. Schließlich hatten wir vor, noch ein paar Tage durch die Toskana zu fahren. Da könnte man das Wochenende noch nutzen. Ob es die A., die K. oder der M. war, der sich erinnerte, dass wir dank unserer Benzingutscheine eine Unfallversicherung hatten. Diese Versicherung sorgte nicht nur für das Abschleppen im Notfall, sondern auch dafür, dass wir einen Leihwagen für die Überbrückung kriegen sollten, maximal drei Tage. Also forderten wir vom Werkstattinhaber, dass er uns nun einen entsprechenden Wagen bereitstellen sollte, aber pronto!

Er habe keinen Leihwagen, er sei nur eine kleine Werkstatt, was wir denn erwarten würden? Wir antworteten, dass er ja schließlich eine Plakette des Automobilclubs hätte, also Vertragspartner sei. Wir seien durch die Benzingutscheine ebenfalls Mitglied und nun hätten wir gerne den Leihwagen, da gebe es nichts zu rütteln. Er sah wohl ein, dass unsere Argumente stichhaltig waren und telefonierte mit einer anderen ACI-Werkstatt am Ort. Dort gebe es einen Wagen, den man uns leihen wolle, er könne uns hinfahren. Gesagt, getan.

Wobei eine kleine Anmerkung hier angebracht war: Ich war ganz und gar nicht mehr in der Stimmung, noch mit den drei anderen ein paar weitere Tage zu verbringen. Ich wollte nur noch nach Haus und den Mantel des Vergessens über diese Tage hüllen. Ich stellte mir in kühnen Fantasien vor, wie es wohl wäre, einfach in Rom in den Zug zu steigen und bis nach Düsseldorf durchzufahren. Herrliche Vorstellung, doch soweit kam es nicht.

Ehe wir uns versahen, hatten wir einen Leihwagen. Pläne waren schnell geschmiedet: Etwas nördlich von Rom hatten wir auf der Karte den Lago di Vico ausgemacht, an dessen Ufer wir noch zwei Tage verbringen wollten, bevor wir den Leihwagen zurückgeben und mit dem Zug nach Hause fahren. Das Problem mit dem Schrottauto wollten wir kreativ und spontan lösen. Mir war alles egal, ich begann die Stunden zu zählen, die mich noch von dem Zug in die Heimat trennten.

Man darf sich diesen Leihwagen jedoch nicht vorstellen wie einen scheckheftgepflegten Avis- oder Hertz-Leihwagen, mit gerade mal 5.000 km auf dem Tacho. Dieser Wagen war nur marginal weniger Schrott als der, dem ich auf der Autobahn das Leben ausgehaucht hatte. Doch das merkten wir erst, als wir losgefahren waren. Die Scheinwerfer waren kaputt, ebenso einer der Blinker, und die Scheibenwischer funktionierten auch nicht mehr. Aber wofür braucht man schon Scheibenwischer im August in Italien? Wenn es regnet, natürlich. Wie genau an diesem Tag. Sehr schnell sahen wir nichts mehr durch die Windschutzscheibe.

Wir steuerten eine weitere ACI-Werkstatt an: Kaum, dass wir auf den Hof fuhren, kam der Inhaber wütend auf uns zugerannt und beschimpfte uns, wir sollten sofort den Hof verlassen. Er habe zu und es sei Feiertag. Aber wir haben doch ein Problem mit unserem Auto! Das sei ihm egal, selbst wenn wir der Papst wären, würde er uns heute nicht helfen. Sobald er einem half, wäre sofort der ganze Hof voll und er könne seinen Feiertag vergessen. Der Mann hatte recht: Es dauerte nur wenige Minuten — während wir mit ihm diskutierten –, bis ein weiteres Auto kam, dessen Insassen glücklich waren, eine offene Werkstatt gefunden zu haben. Doch die hatten weniger Glück als wir: Ihnen wollte er nun wirklich nicht helfen. Unseren Argumenten, er sei eine ACI Werkstatt und das hier sei ein defekter ACI Leihwagen und das sei viel mehr sein Problem als unseres, konnte er nicht standhalten und machte sich grummelnd daran, Blinker, Scheinwerfer und Scheibenwischer zu flicken, zumindest so, dass es halbwegs halten würde. Die Kosten dafür trug unsere Reisekasse. Auch nicht das, was man sich von einem Leihwagen erhoffte, aber immerhin hatten wir einen.

Mit dem provisorisch reparierten Wagen ging es nach Norden, zum Lago di Vico und dem Ort San Martino al Cimino, der dort in der Nähe lag. Wir suchten uns einen ungestörten Platz am Ufer des Sees und schlugen mal wieder unser Lager auf.

Dort kam mein persönlicher Tiefpunkt der Reise. Bis dahin war die Stimmung in der Gruppe noch ganz friedlich gewesen, aber hier machte die A. aus ihrem Herzen keine Mördergrube und machte mir harte Vorwürfe, wie unverantwortlich doch mein Verhalten gewesen sei, das Steuer zu übernehmen, wenn ich nicht sicher im Straßenverkehr sei. Ich habe unser aller Leben aufs Spiel gesetzt, sei vollkommen verantwortungslos, und so weiter und so fort. Ich konnte nicht mehr. M. und ich fuhren in den kleinen Ort nördlich des Sees und setzten uns nach dem Einkaufen in ein Café, wo alles aus mir herausbrach. Ich konnte nur noch heulen über die ganze Situation. Ich war noch nie so sehr am Ende meiner psychischen Kräfte wie an diesem Tag. Zum Glück brachte M. viel Verständnis auf, versuchte mich zu beruhigen und sagte, dass wir ja morgen nach Hause fahren würden.

Doch vor der Abfahrt hatten wir noch einige Punkte zu erledigen: Erstens Fahrkarten für die Rückfahrt besorgen, zweitens den Leihwagen zurückgeben und drittens irgendwie an die Nummernschilder des alten Wagens kommen, damit M. sein Auto daheim in Innsbruck abmelden konnte.

Was folgte, war eine der härtesten Nächte meines Lebens.

Wir hatten telefonisch herausgefunden, dass die preiswerteste Rückfahrkarte ein Jugendticket war, das aber ausschließlich von einer einzigen Verkaufsstelle an der Stazione Termini verkauft wurde. Unser Zug nach Innsbruck und für mich weiter bis München fuhr morgens um 07:35 Uhr. Um diese Zeit hatte das Wasteels-Reisebüro aber noch nicht geöffnet, also mussten wir die Karten am Vorabend kaufen. Wir hatten bis 20:00 Uhr Zeit, dann schloss das Reisebüro. Ich erinnere mich nicht mehr an die Details der Autofahrt nach Rom hinein, aber ich weiß noch ziemlich genau, dass wir erst gegen kurz nach acht am Bahnhof waren, doch in einem unerwarteten Anfall von Pragmatismus verkaufte man uns noch einen Satz Fahrkarten für den Eurocity über die Alpen.

Nun sah der Plan für den Rest des Abends wie folgt aus: Wir geben unser Gepäck (besonders meinen Koffer!) am Bahnhof in die Aufbewahrung, vertreiben uns bis ca. 01:00 Uhr die Zeit in Rom, fahren dann mit dem Leihwagen nach San Cesareo. Wir brechen in die Werkstatt ein, in der unser Schrottauto stand, klauen die Nummernschilder, stellen dann dem Leihwagenverleiher den Wagen vor die Tür (Schlüssel steckt), laufen zur Bushaltestelle, wo früh morgens der Bus in Richtung Rom fuhr, fahren mit dem Bus zur Endhaltestelle der U-Bahn, von dort aus zur Stazione Termini, lösen meinen Koffer und die Rucksäcke aus, nehmen um 07:35 den Zug und sind am Nachmittag über alle Berge.

Der Abend in Rom war nett. Wir schlenderten von der Stazione Termini zum Kolosseum, setzten uns in einen Park (von dem mir Jahre später berichtet werden sollte, dass es der gefährlichste Park Roms sei), verfassten einen Brief an den Werkstattbesitzer, mit dem wir ihn höflich baten (so höflich, wie es das rudimentäre Italienisch der A. hergab) unser Auto unter der Hand zu verschrotten. Wir sähen keine andere Möglichkeit. Danke. Außerdem wollten wir eine Flasche Wein im Auto deponieren, um uns ein wenig erkenntlich zu zeigen und zu beweisen, dass wir keine Halunken waren.

In der Nacht die Rückfahrt in den Vorort. Der Plan ging auf: Wir lokalisierten zuerst die Bushaltestelle. Dann fuhren wir zur Werkstatt, M. und A. kletterten über das mannshohe Gittertor auf den Hof, besänftigten die Hunde und kamen ein paar Minuten später mit zwei Nummernschildern zurück. Die K. und ich waren außer uns vor Angst. Dann setzten M. und ich die beiden Frauen an der Bushaltestelle ab, brachten den Leihwagen weg und liefen zu Fuß zurück zu den beiden Begleiterinnen. Nun war es essentiell, am nächsten Morgen nicht den Bus zu verpassen. Wir durften auf keinen Fall den Bus verpassen, der gegen 05:30 losfuhr. Ansonsten würden wir den Zug nicht kriegen und wären einen weiteren Tag in Italien gefangen. Wir hatten allerdings keinen Wecker, also musste jemand wach bleiben. Ich opferte mich. Eine gruselige Nacht. Das leere Feld, das wir in der Nähe der Bushaltestelle ausgemacht hatten, entpuppte sich als wilde Müllkippe. Außerdem erregte unsere Anwesenheit die Aufmerksamkeit sämtlicher Hunde in der Nachbarschaft, und davon gab es viele. Sobald ich mich ein paar Meter auf der Straße bewegte, gab es ein Höllengebell von allen Grundstücken der Straße.

Irgendwie habe ich es geschafft, wach zu bleiben. Wir kriegten den Bus, fuhren mit der U-Bahn zum Bahnhof, erreichten um Haaresbreite den Zug, der zum Glück ein paar Minuten zu spät abfuhr und waren bald über alle Berge.

Als wir über den Brenner waren, gab es ein kollektives Aufatmen. Wir waren den Klauen der italienischen Justiz entronnen! In Innsbruck verließen mich meine Mitreisenden. Sie waren am Ziel, ich hatte noch eine längere Tour vor mir. Ich hatte keine Ahnung, ob ich in München noch einen Zug in Richtung Rheinland kriegen würde, oder ob mir noch eine Nacht auf dem Bahnhof drohte.

Gegen 18 Uhr war ich in München und erreichte knapp und ausgehungert den letzten IC in Richtung Norden. Ich muss furchtbar ausgesehen haben, als ich den Speisewagen aufsuchte, um die erste Mahlzeit seit knapp 24 Stunden einzunehmen. Der Speisewagen hatte zwar schon geschlossen, doch als der freundliche Mitropa-Mitarbeiter mich sah, drückte er mir verängstigt seine letzten trockenen Brötchen in die Hand: „Nimm die (aber lass mich leben)“ muss er sich gedacht haben.

Ankunft zu Hause am 18.08., morgens um 02:42 Uhr. Meinen Eltern war die Ankunft des verlorenen Sohnes telefonisch avisiert worden und sie holten mich vom Zug ab. Ganz lieb.

„Was machst Du?“, fragte meine Mutter kopfschüttelnd, als ich ihr um den Hals fiel.

Epilog:
Die K. und die A. habe ich nie wieder gesehen. Cousin M. und ich waren nach dieser Tour so dick befreundet wie vorher, allerdings hat es bis 2006 gedauert, dass wir wieder gemeinsam in Urlaub gefahren sind. Übrigens wieder nach Italien, für mich auch das erste Mal seit 1991. M. konnte sein Auto abmelden und niemand hat je wieder etwas aus Italien gehört. Kurz darauf wurden die Benzingutscheine abgeschafft. Ich kann mir denken, warum.

4 Responses to “Italienische Reise (Teil 3 & Schluss)”


  • Danke, das war eine wirklich schöne Serie mit heisser Schlussphase.
    Hat mir die Zeit der Benzingutscheine noch einmal zurückgeholt (und mich an eine ähnlich aufreibende Fahrt durch Frankreich erinnert.)

  • Ein hinreissender Reisebericht. Schön Dich ein wenig durch Deine Vergangenheit zu begleiten

  • der besagte Cousin M.

    Jaja, harte Zeiten waren das damals…

    Eine Episode möchte ich noch anfügen, die den respekteinflößenden Charakter unserer Reise noch erhöhen soll:

    Als wir, die italienische Sommerhitze durchquerend, den ersten See erreichten, hielten wir kurz entschlossen an, um „dippen“ zu gehen: reinspringen, abkühlen, weiterfahren. Natürlich hatte jeder seine Badeutensilien irgendwo im Rucksack ganz unten, bzw. war irgendwo unter diesen der Koffer meines Cousins A. gut einverkeilt verstaut, er hätte seine Badehose sicher mit einem Handgriff gefunden. Wir badeten nackt, womit unsere Scham für den weiteren Urlaub die erste Meßlatte erfolgreich genommen hatte.

    Ich erzähle dies, da das Nacktbaden sich in diesem Urlaub zu einem Leitmotto mauserte: wo auch immer, wie auch immer, wir badeten nackt. Ein Höhepunkt war der dip an einem stark frequentierten Familienstrand Nordsiziliens – wir waren noch nicht ganz trocken, als die sich zusammenrottenden und wild gestikulierenden Familienväter uns zum vorzeitigen Aufbruch zwangen. Wir konnten gerade noch mit dem Fiat Bronski fliehen, der uns bis zu seinem Tode ein guter Freund und Helfer in der Not war.

    Um unserem bis zu diesem Zeitpunkt der Reise schon liebgewonnenen Motto treu zu bleiben, besuchten wir am Stromboli die heißen Schlammquellen nur des nachts. Da waren zwar auch erstaunte bis erschrockene Kurgäste anwesend, aber die Badewärter schliefen, und dunkel war es auch halbwegs.

    Lieber Cousin, ich hoffe, Dir mit dieser Nachreichung zur Reise auch ein Detail wieder in Erinnerung gerufen zu haben, daß Du mit Sicherheit nur oberflächlich verdrängt hast… ;)

    Ansonsten auch von mir ein Riesenlob: in Dir ist ein Schriftsteller verloren gegangen! Toll zu lesen, und – ich bestätige dies hiermit offiziell – nichts als die nackte Wahrheit!

    PS: wann fahren wir wieder in Urlaub?

  • Cousin M.: Danke für die zusätzlichen Details. Zum Nacktbaden muss ich noch etwas beisteuern: Besonders glücklich über Euer Nacktbaden im Pool der Patentante war meine Freundin D., bei der Ihr mich abholtet. Da habt Ihr nicht mit den sizilianischen Moralvorstellungen der Pooleigentümer gerechnet. So kamen Eure Badesachen dann doch noch zum Einsatz.

    Außerdem finde ich Deine Verwendung des Begriffs „Meßlatte“ in Bezug auf das Nacktbaden extrem irritierend. :-)

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