Im RE1 mit den Nazis von nebenan

Wenn die Bahnstrecke zwischen Dortmund und Köln eine der Verkehrsarterien Nordrhein-Westfalens ist, dann ist der RE1 von Hamm nach Aachen so etwas wie das rote Blutkörperchen des Landes. Dieser Zug ist immer voll. Die Bahn könnte ihn auch alle zehn Minuten statt nur einmal pro Stunde fahren lassen, er wäre immer noch voll. Besonders voll ist er am Samstag. Der RE1 ist sozusagen das offizielle Fußballfan-Transportmittel zwischen den Bundesligaspielorten an Rhein und Ruhr (plus 2. Bundesliga und Regionalliga Nord).

Auf Fußball tippten die schöne Ubierin und ich am Samstag morgen, als wir nach Düsseldorf fahren wollten und am Dortmunder Hauptbahnhof recht viele Polizisten in teils schwerer Montur sahen. Die waren allerdings nicht wegen des Fußballs da, sondern wegen einer Horde Neonazis, in die wir auf dem Bahnsteig prompt reingelaufen sind. Man war auf dem Weg nach Stolberg zu einer Demo. Hätte auch der schwarze Block einer linken Demonstration sein können, der dort auf den Regionalexpress wartete: Schwarze Klamotten, Sonnenbrillen, Mützen, das übliche geheimbündlerische Gehabe — nur halt „Fa“, nicht „Antifa“.

Der Zug rollte ein, alles zwängte sich in die viel zu wenigen Doppelstockwagen. Die schöne Ubierin und ich machten es uns auf der Treppe zur ersten Klasse mehr oder weniger bequem, um uns herum das braune Gesocks. Drei Polizisten in mittelschwerer Montur stiegen auch noch ein, um ein paar grüne Farbsprenkler in den schwarzen Block zu bringen.

War eine friedliche Fahrt: Kein Rumgegröhle, keine blöden Sprüche. Stattdessen normales Zugfahren im überfüllten Wagen. Meine Güte, waren die banal: Die Nazijungs holten Karten raus und spielten Skat, das Nazimädchen neben uns auf der Treppe löste rechtsradikale Kreuzworträtsel und faschistische Sudokus. Dazu gab es selbstgeschmierte nationalsozialistische Schinken- und Käsebrötchen. Hätte sie noch hartgekochte Eier rausgeholt, hätte ich gelacht.

An jedem weiteren Bahnhof gesellte sich noch eine Handvoll weiterer Faschos dazu, erst die aus Essen waren unangenehm asozial. Mit den anderen hätte man auch prima ein Gespräch anfangen können: „Na Leute, hervorragendes Wetter heute, um an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Staates zu rütteln, was?“. Wollte dann aber doch keine Kloppe riskieren.

Nächstes Mal fahren wir wieder Intercity. Da gibt es wenigstens Sitzplätze. Und weniger Nazis.

6 Responses to “Im RE1 mit den Nazis von nebenan”


  • Im Intercity gibt es aber nur Sitzplätze, wenn man diese vorher reserviert hat.
    Am Sonntag bin ich mit einem solchen von Hamburg nach Mannheim gefahren. Ich wusste danach warum eine Reservierung für diesen Zug empfohlen wird.
    Er war vollgestopft mit Bundeswehrsoldaten, die anscheinend weit im Süden, fern von jeder Verwandschaft stationiert sind.

    Wenn man dann auch noch einen Gangplatz in der zweiten Klasse hat, braucht man sich über blaue Flecke am Oberarm nicht wundern.

    Koffer konnten ab Hannover nur noch in den Zwischenstücken zweier Wagons platziert werden. Das war eine sehr spaßige Fahrt.

    Auf der Rückfahrt war es ähnlich. Dort gesellte sich eine Schlipstragender Programmierer zu uns. Als erstes stellte er 3 Halbliterdosen Becks auf den Tisch, danach sein Laptop. Begonnen hatte er seine Arbeit mit der Reisekostenabrechnung.
    Danach baute er ein Testwiki für einen seinen Kunden. Namen werden hier nicht genannt, aber 3 seiner Kunden kenne ich jetzt.

    Der Platz auf dem kleinen Tisch in der 2. Klasse lies allen anderen kaum die Möglichkeit noch ein Brötchen abzulegen.
    So macht das Bahnfahren Spaß.

  • Ein Kalauer liegt jetzt wahrscheinlich allen auf der Zunge. Um den anderen die Peinlichkeit zu ersparen, opfere ich mich:
    „Hakenkreuzworträtsel“ (‚Grösster Feldherr aller Zeiten mit sechs Buchstaben‘)

  • und ich denke mir:

    Im Zweifel musstest Du doch auch eigentlich nur Deine Mütze absetzen um unerkannt (sofern Schwarze Kleidung kein Ausschlusskriterium war) reisen zu können, oder?

    HaHa – ‚Tschuldigung

  • „erst die aus Essen waren unangenehm asozial.“

    Sorry, aber: *gnihihihih*

    Wie hat eigentlich der HSV gespielt?

  • Torsten: Sonntag is‘ schwer. Samstag geht besser im IC.

    Eckart: ROTFL. Ehrlich. Der Kalauer ist mir entgangen.

    Bruder: Vorsicht! Das heimtückische an diesen neuen Rechten ist ja, dass sie eben nicht mehr nur Glatze und Springerstiefel tragen. Außerdem trage ich keine Glatze, sondern 3mm. Weiterhin habe ich gestern noch etwas recherchiert und herausgefunden, dass die Veranstalter Springerstiefel („passive Bewaffnung“) nicht zugelassen hatten.

    MC: Hat da jemand die Rot-Weiß Essen Anspielung verstanden? :-) Der HSV hat, ähem, „nicht so richtig gewonnen“, *hust, hust*.

  • Der HSV hat mal wieder eine gute Tat vollbracht und uneigennützig die Schwachen gestärkt. Sind halt perfekte Pfadfinder, oder?

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