Archive for the 'Barmblog auf Reisen' Category

Bahnsprechung

Immer wieder beeindruckend an der deutschen Sprache ist ihre Präzision im Ausdruck. Dachte sich wohl auch der Zugchef im IC929 am Freitag, als er mit einer Gelenkigkeit im Ausdruck, wie sie nur von Mitgliedern einer Organisation, die Begriffe wie „außerplanmäßiger Halt“ hervorbringt, errungen werden kann, verkündete:

Der Wagen mit der Ordnungsnummer 13 befindet sich heute nicht im Zug und fehlt deshalb. Fahrgäste mit Reservierungen für den Wagen 13, wenden Sie sich an das Zugpersonal zwecks Platzzuweisung.

Liebes Amerika

Nun, da Du den W. und seine Kumpels verjagt hast und wir wieder von ganzem Herzen Freunde sein dürfen, kann ich nochmal vielen Dank sagen für die schöne Zeit, die ich letztens bei Dir hatte. War toll, wie immer. Besonders schön ist es ja immer in Deinem Nordosten, im Herbst, wenn das Chlorophyll für die Saison ausgedient hat und Du Dich bunt anmalst:

Und auch in der großen Stadt, in der mit Loch, wie Thees singt. Habe wieder viel gesehen, und vor allem ein paar Dinge, die ich noch nicht kannte. Kannst Du Dir vorstellen, dass ich zwar fast ein Dutzendmal in der Stadt war, aber dieses Mal das erste Mal am Times Square? Naja, ist vielleicht auch nicht so spannend, was sich dort abspielt. Ganz spannend hingegen der Tag in Brooklyn. Genauer gesagt in Dumbo. Warum musst Du Deinen Stadtvierteln immer so komische Namen geben? Noho, Soho, Tribeca, Dumbo — klingt schon etwas komisch. Aber unabhängig vom Namen: Ist ja schon ein wenig seltsam, dass Du diese total attraktive Ecke der Stadt erst jetzt entdeckst, oder? Hat mir auf jeden Fall gut gefallen dort.

Auch mit der Staten Island Ferry bin ich das erste Mal gefahren. Mal ganz ehrlich, Amerika, gibt es eigentlich auch Leute, die auf der Insel aussteigen? Ich meine, aussteigen und das Fährterminal verlassen? Ich hatte nicht den Eindruck. Habe ich etwas verpasst?

Seit ich, wenn ich Dich besuche, nicht mehr bei der Freundin der Mutter, sondern bei dem Freund draußen in der Vorstadt wohne, komme ich auch viel häufiger durch diesen wunderbaren Bahnhof durch. Am Anfang verwirrend, mit seinen Bahnsteigen auf den verschiedenen Ebenen, der riesigen Halle und der auch nicht zu verachtenden Halle eine Etage tiefer, habe ich das Ding mittlerweile doch durchschaut. Ist gar nicht so schwer, wenn man grob weiß, in welcher Richtung die Züge fahren und wo man hin will.

Nur komisch, dass man in dem Bahnhof beim Fotografieren kein Stativ verwenden darf. Kann ich ja verstehen, in der Hauptverkehrszeit, wenn sich die Pendler nur so durch die Halle schieben, aber nachts um zwölf? Stört’s da wirklich so sehr? Falls Du, Amerika, übrigens weißt, wer die blonde Frau ist, die auf dem Foto wie das ruhende Auge mitten im Sturm steht, sag Ihr Bescheid, dass sie ganz und gar zufälig in einem Foto gelandet ist, auf das ich sehr stolz bin.

Wer die Bass spielende Sängerin ist, die an dem Abend mit ihrer Band im Sidewalk Café spielte, habe ich mittlerweile rausgefunden. war auf jeden Fall ein sehr schöner Abend. Gute Musik habe ich gehört, und ein paar ganz schöne Bilder gemacht von den Künstlern.

Ach so, wenn Du Deine Nachbarin Kanada siehst, grüß schön von mir. Habe mich gar nicht mehr gemeldet bei ihr. War auch toll dort. Kannst ihr ausrichten, dass ich die Tage mal einen Brief schreibe.

Viele Grüße

Alexander

PS: Habe mich ja fast nicht getraut, Dir das Foto zu zeigen, aber vor ein paar Tagen im Baumarkt habe ich den Prospekt von kronoply gesehen, irgendeiner Holzfirma. Tu mir einen Gefallen und nimm das nicht so ernst mit dem Freedom Tower aus Holz. Ich wüsste auch zu gern, was die Leute geritten hat, vorzuschlagen, dass man das Nachfolgegebäude der Twin Towers aus Sperrholz bauen könnte. Ist ja auch irgendwie geschmacklos. Aber, vielleicht hilft es Dir, kronoply ist eine schweizer Firma. Also bitte auf die sauer sein, nicht auf uns, OK? Schmatz.

weg

Nicht, dass es bei der Frequenz der Beiträge in den letzten Wochen großartig auffallen würde, wenn hier mal zwei Wochen nichts erscheint (ähem), doch während meines Urlaubs in den nächsten Tagen wird es erstmal gar keinen Barmbek-Content geben. Zur Eröffnung von Peters Grill werde ich auch nicht da sein.

Vielleicht gibt es stattdessen ein wenig Montreal- oder New York-Content. Bis im Oktober.

PS: An die Arschgeigen, die vorgestern meine Kreditkarte gehackt haben und für ca. 1.500 Euro einen KLM Flug nach Kuala Lumpur gebucht haben: Habe ich gemerkt, noch rechtzeitig. Die Karte ist gesperrt. Nützt Euch jetzt gar nichts mehr, die Kartennummer. Und ich würde ja liebend gerne das Gesicht der Arschgeige sehen, wenn sie einchecken will und die KLM-Mitarbeiterin ihr sagt, dass es Probleme mit dem Ticket gibt. Schöne Reise dann.

Mehdorn, Du alter Usability-Papst

Da will ich gerade die Bahnfahrkarte für die Fahrt gen Süden morgen kaufen, gehe zur Bahn Website, so wie es der Mehdorn ja will, damit er die ganzen Schalter-Fuzzis rauswerfen kann, verhalte mich also v-o-r-b-i-l-d-l-i-c-h, logge mich sogar ein (was ich ja sonst nie mache um mich meinem alten Kumpel Web-Anwendung schonmal anzukündigen), suche den Zug raus, geh auf Kaufen (wie man so sagt) und sehe: Eine super-duper Werbung, die mir nahelegt, doch jetzt eine BahnCard zu kaufen. Lohnt sich! Ist toll! Haben schon ganz viele Leute!

Ich übrigens auch. Steht in meinen Benutzerdaten. Sollten die kennen, habe mich ja schon eingeloggt. Stattdessen muss ich nun überlegen, ob der Button „Weiter ohne BahnCard“ der richtige für mich ist, wenn ich mit der BahnCard, die ich bereits besitze, eine Karte kaufen möchte.

Tschuldigung, wenn ich gerade ein wenig angepisst reagiere, aber die BahnCard und ich sind eine Geschichte, die sich schon seit mehr als einem Jahr hinzieht und immer wieder für Spaß sorgt, wenn ich im Freundeskreis davon erzähle. Ich würde es ja bloggen, aber dafür reicht Speicherplatz auf dem Server nicht.

Road to Nowhere

Road to Nowhere

(in Dortmund)

Größtmögliche kulinarische Abzocke

Wird nicht die schweizer Küche gelobt für ihre Leckereien jenseits des Käsefondues? Wofür die schweizer Küche definitiv nicht gerühmt werden soll, ist der Hörnlisalat, der mir am Dienstag im Speisewagen des EC100 von Düsseldorf nach Hamburg serviert wurde. Pasta-Salat mit knackigem Gemüse wurde versprochen. Was nur wenige Augenblicke nach der Bestellung geliefert wurde, war ein Teller Müll. Die langweiligsten Nudeln der Welt (die kleinen, gebogenen Röhrchennudeln), einmal geschwenkt durch Essig und ein Glas Mixed Pickles. Dazu halbwegs erträgliches Brot. Der Hunger trieb Teile davon rein.

Das ganze zusammen mit einem Getränk für den Spottpreis von 11,30 €. Schweizer Preise auf deutschen Gleisen. Gelernte Lektion: In schweizer Zügen den Speisewagen vermeiden.

Andalusien

Zwar ist der Urlaub in Andalusien schon ein wenig her, dennoch wirken die schönen Erinnerungen immer noch ein wenig nach. Mittlerweile habe ich auch die Fotos entwickelt, also: sortiert, ausgesucht und nachbearbeitet. Mehr Bilder als hier gibt es unter Andalusien 2008 bei Flickr.

Mir hat Andalusien prima gefallen: Tolle Landschaften, aufregende und bunte Städte und vor allem eine reiche Geschichte, von der ich mir vorher keine Vorstellung gemacht habe. Was die Mauren im Spätmittelalter dort gebaut haben: Chapeau! Auf die Gefahr hin, dass ich mich zum Gespött der mitlesenden Historiker mache: Bislang dachte ich ja immer, dass das Mittelalter in Europa eine eher triste Zeit war: Nach dem Untergang des römischen Reiches bis zur Renaissance hätte man auch gut das Licht ausmachen können. Ab und an wurden eine Kirche gebaut und ein Krieg geführt. Gähn. Nicht viel für ein paar Jahrhunderte. Seit dem Besuch in Südspanien sehe ich das etwas anders. Um es auf den Punkt zu bringen: Alhambra. Mezquita.

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Wunderschön auch das Pfingstwochenende in El Rocío: Statt der bescheidenen 600 Einwohner halten sich am Pfingstwochenende ungefähr eine Million Leute in dem Ort auf: ziehen sich bunt an, tragen ihre Marienstatuen umher und huldigen in der Wallfahrtskirche der Paloma Blanca. Eine Mischung aus Wallfahrt und Rosenmontagszug.

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Und natürlich diese zuckersüßen, weißen Bergdörfer. Stellvertretend für alle anderen: Ronda. Besonders morgens gegen 6 Uhr, wenn man sich in aller Frühe zum Fotografieren herausquält. Das ist im ersten Moment mühsam, doch das Aufwachen einer Stadt am Morgen ist ein beeindruckendes Erlebnis:

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Wie ich einmal einen Andalusier verwirrte

Ist schon ein wenig her, dass ich hier die Site If the Earth Were a Sandwich empfohlen habe. Damals wusste ich noch nicht, dass ich ein Jahr später nach Andalusien fahren würde. Gute Gelegenheit, sich den Ort mal anzuschauen, von dem aus ich nur direkt durchgraben muss, um auf dem Grundstück des Freundes B. zu stehen.

Den Ort habe ich bereits vorher über Luftbilder ausgekundschaftet und die Koordinaten im GPS gespeichert. Mit freundlicher Unterstützung durch amerikanische Militärsatelliten wurde ich sehr zuverlässig an die kleine Abzweigung der Landstraße A431 in der Nähe von Córdoba geleitet.

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Nur noch knapp hundert Meter den Feldweg entlang, ein wenig nach Westen und dann bin ich da. Wäre da nicht der Zaun um den kleinen Olivengarten herum. Doch während ich noch überlege, wie ich da jetzt reinkomme, kläfft auch schon ein Hund und ein etwas halbseiden aussehener Andalusier kommt auf mich zu, die Töle im Schlepptau. Wie gut, dass ich mir diese Situation bereits ein paar Tage vorher zurecht gelegt habe und nun in perfektem Spanisch erklären kann, was ich möchte. Soweit zu meiner Einschätzung. Der Dialog hier ist hochsprachlich wiedergegeben. Mein einfaches Spanisch kombiniert mit einer zugegebenermaßen skurrilen Idee einerseits und der beinharte Dialekt andererseits haben das Verständnis nicht gerade vereinfacht.

Ich: Hallo, ich bin ein wenig verrückt, aber ich möchte gerne Ihren Garten betreten, um dort ein Foto zu machen. Wissen Sie, genau hier auf der anderen Seite der Welt liegt Neuseeland, und an genau diesem Ort hat ein Freund von mir sein Haus.
Der Andalusier: ???
Ich: Also, ich würde gerne in Ihrem Garten die Stelle suchen, an der — auf der anderen Seite der Welt — …
Der Andalusier: Willst Du den Garten kaufen?
Ich: Nein, nein, nur ein Foto machen.
Der Andalusier: Und was machst Du mit dem Foto?
Ich: Das schicke ich meinem Freund.
Der Andalusier: Warum?
Ich: Um ihm zu sagen, dass ich hier war.
Der Andalusier: Dann mach Dein Foto von dem Garten doch hier.
Ich: (zeige GPS) Hm, wissen Sie, der genaue Ort liegt etwa 50 Meter links von hier, mitten in dem Garten. Mir ist das schon sehr wichtig.
Der Andalusier: (verwirrt) Ja, dann geh, das Tor ist offen.
Ich: OK, muchas gracias!

Die letzten fünfzig Meter in dem Garten waren schnell zurückgelegt, der Andalusier wartete draußen am Tor.

So, lieber B., nun freue ich mich, Dir zeigen zu können, wie der Ort aussieht, der auf der Erde am entferntesten von Deinem Haus liegt. Es ist fürwahr nicht übertrieben, zu behaupten, dass es auf der anderen Seite der Erde wirklich viel schöner aussieht als in diesem Olivengarten:

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Der Abschied war schnell und nicht so herzlich. Vermutlich war der Andalusier froh, dass der Verrückte mit dem starken Akzent und dem kleinen gelben Gerät wieder weg war. So trollte er sich mit seinem Hund wieder in Richtung seines Hauses und ich fuhr hoch erfreut weiter in Richtung Córdoba.

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Im RE1 mit den Nazis von nebenan

Wenn die Bahnstrecke zwischen Dortmund und Köln eine der Verkehrsarterien Nordrhein-Westfalens ist, dann ist der RE1 von Hamm nach Aachen so etwas wie das rote Blutkörperchen des Landes. Dieser Zug ist immer voll. Die Bahn könnte ihn auch alle zehn Minuten statt nur einmal pro Stunde fahren lassen, er wäre immer noch voll. Besonders voll ist er am Samstag. Der RE1 ist sozusagen das offizielle Fußballfan-Transportmittel zwischen den Bundesligaspielorten an Rhein und Ruhr (plus 2. Bundesliga und Regionalliga Nord).

Auf Fußball tippten die schöne Ubierin und ich am Samstag morgen, als wir nach Düsseldorf fahren wollten und am Dortmunder Hauptbahnhof recht viele Polizisten in teils schwerer Montur sahen. Die waren allerdings nicht wegen des Fußballs da, sondern wegen einer Horde Neonazis, in die wir auf dem Bahnsteig prompt reingelaufen sind. Man war auf dem Weg nach Stolberg zu einer Demo. Hätte auch der schwarze Block einer linken Demonstration sein können, der dort auf den Regionalexpress wartete: Schwarze Klamotten, Sonnenbrillen, Mützen, das übliche geheimbündlerische Gehabe — nur halt „Fa“, nicht „Antifa“.

Der Zug rollte ein, alles zwängte sich in die viel zu wenigen Doppelstockwagen. Die schöne Ubierin und ich machten es uns auf der Treppe zur ersten Klasse mehr oder weniger bequem, um uns herum das braune Gesocks. Drei Polizisten in mittelschwerer Montur stiegen auch noch ein, um ein paar grüne Farbsprenkler in den schwarzen Block zu bringen.

War eine friedliche Fahrt: Kein Rumgegröhle, keine blöden Sprüche. Stattdessen normales Zugfahren im überfüllten Wagen. Meine Güte, waren die banal: Die Nazijungs holten Karten raus und spielten Skat, das Nazimädchen neben uns auf der Treppe löste rechtsradikale Kreuzworträtsel und faschistische Sudokus. Dazu gab es selbstgeschmierte nationalsozialistische Schinken- und Käsebrötchen. Hätte sie noch hartgekochte Eier rausgeholt, hätte ich gelacht.

An jedem weiteren Bahnhof gesellte sich noch eine Handvoll weiterer Faschos dazu, erst die aus Essen waren unangenehm asozial. Mit den anderen hätte man auch prima ein Gespräch anfangen können: „Na Leute, hervorragendes Wetter heute, um an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Staates zu rütteln, was?“. Wollte dann aber doch keine Kloppe riskieren.

Nächstes Mal fahren wir wieder Intercity. Da gibt es wenigstens Sitzplätze. Und weniger Nazis.

Karneval reloaded

Mit 12 war es vorbei. Ich hatte keinen Spaß mehr dran, war mir alles zu spießig und verknöchert, das Gesinge, das Gejohle und die punktuell aufgetragene Fröhlichkeit auf Kommando zu einer festen Zeit im Jahr. Der richtig große Karnevalist war ich ohnehin nie. Mich zu verkleiden war nicht so sehr mein Ding und irgendwann nahm auch mein Interesse an Spielzeugpistolen dramatisch ab (die Patronen waren mir ohnehin immer schon zu laut), sodass der Karneval keinerlei Reiz mehr auf mich ausübte. Spätestens nachdem der W. in Karnevalslaune die Tür meines Zimmers, in das ich mich mit Freunden zum Das Schwarze Auge Spielen verbarrikadiert hatte, aus den Angeln hob — woraufhin sie den Rest meiner Verweildauer in diesem Zimmer nicht mehr richtig schloss — war Karneval für mich gestorben.

Die Studienzeit in der nicht gerade als Großspaßmetropole verschrienen Mittelstadt Osnabrück trug nicht dazu bei, mich wieder mit dem Karneval anzufreunden und meine pubertäre Abneigung zu überwinden. Der dort gefeierte Ossensamstag bestand darin, sich morgens beim Zug so gnadenlos zu betrinken, dass die Leute bereits am frühen Nachmittag nicht mehr auf der Straße waren — kein Wunder, sah die Stadt doch aus, als wären die Wagen nicht abgezogen, sondern explodiert.

Vor drei Wochen schlug die D. als überzeugte Kölnerin vor, ob wir nicht gemeinsam Karneval feiern wollten. Unter dem Einfluss von Hormonen stehend, sagte ich zu. Mir war schon ein wenig mulmig vorher: Was soll ich nur anziehen? Drei Wochen lang verschob ich die Entscheidung auf später, bis mir klar wurde, dass ich keinen blassen Schimmer habe, was ein angemessenes Kostüm ist und wo ich eins herbekomme. Außerdem glüht in meiner Brust auch noch ein Funken Düsseldorfer Lokalpatriotismus und ausgerechnet nach Köln zu fahren, war schon nicht ganz leicht. Zumindest habe ich mir geschworen, nicht allzu lauthals „Kölle Alaaf“ zu rufen.

Die Kostümfrage klärte sich dank des reichhaltigen Fundus der D. recht schnell. Als Matrose dürfe ich in Köln nicht gehen, wenn ich nicht als schwul gelten wolle, belehrte mich der Schwager am Freitagabend. Da blieb als Alternative nur die wunderbar grell orange Perücke mit den dicken Drähten, damit die Zöpfe auch zur Seite abstehen. Dazu ein dünnes Leibchen, das als Sommerkleid herhalten musste, und fertig war Pippi Langstrumpf. Noch nicht perfekt, aber für das erste Kostüm seit 25 Jahren nicht schlecht. Nichts im Vergleich zur Nana Mouskouri, in die sich die D. verwandelte, aber immer noch passabel.

Ohne die Details des Tages wiedergeben zu wollen: Mann, war das lustig. Was für eine Stimmung auf der Party am Nachmittag, die pünktlich um 17 Uhr beendet wurde und später am Abend im „gegenüber“ in Ehrenfeld (und „em Tresörche“ auf der Severinstraße zwischendurch). Was für kreative und liebevoll gestaltete Kostüme, die mir den ganzen Abend unter die Augen gekommen sind. Viel kindliche Erinnerung wurde wach bei den ganzen Liedern, die irgendwo in den Tiefen meines Gehirns abgespeichert waren. Sogar das Kölsch konnte ich gut trinken an dem Abend.

Respekt vor den Leuten, die es schaffen, an allen sechs Tagen loszuziehen. Ich war nach zwei Abenden so fertig, dass mir zwei Tage zum Ausspannen gut tun würden. Aber dafür hat man hier im Norden ja nicht viel Verständnis.

Ich nehme mit, dass es einen himmelweiten Unterschied gibt zwischen dem organisierten Karneval der Prunksitzungen und „Wolle mer se reinlasse?“-Fernsehübertragungen und dem voll Freude gefeierten Karneval abseits der Fernsehkameras und ewig gleich guckenden Clowngesichter. Gerne wieder.