Archive for the 'Barmblog auf Reisen' Category

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Wieder da. Und doch noch nicht ganz.

Beim Abschied aus Santiago hielt sich die Wehmut in Grenzen. Mittlerweile habe ich das „der letzte Tag der Reise“-Programm so drauf, dass es fast im Autopilot-Modus abläuft: Ein letztes Mal den Rucksack packen, das Handgepäck vorbereiten, Transport zum Flughafen organisieren, Einchecken und mich der gähnende Langeweile der gesichtslosen Abflugsbereiche internationaler Flughäfen hingeben. Immer die gleichen hochexklusiven Boutiquen, Juweliere und Parfümerien. Lohnen die sich eigentlich? Habe noch nie gesehen, dass jemand aus Langeweile am Flughafen noch eben einen Ring oder einen Anzug kauft. Oder einen Koffer. Kofferläden im Abflugbereich verstehe ich am wenigsten: Wer hier steht, hat sein Gepäck doch schon abgegeben, warum sollte man hier noch einen Koffer kaufen? Um ihn leer mit ins Flugzeug zu nehmen?

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Die Wehmut setzte ein, als das Flugzeug nach einer grandiosen Kurve an den Alpen vorbeigeflogen war und später durch die Wolkendecke stieß. Vor einer Minute noch blendender Sonnenschein, unendlich weite Sicht. Dann eine Minute dickes Weiß und schließlich eine endlose, matschig-graue Soße. Fahles Licht, die Sonne kurz vor dem Untergang gegen 16 Uhr. Dampfende Schlote, deren weiße Säulen sich schnell mit der dichten Wolkendecke vereinten. Dieser Blick, das war Beklommenheit vom Feinsten.

Einen kleinen Hüpfer machte mein Herz, als wir Sekunden vor der Landung den Fußballplatz an der Kollaustraße überflogen und dort knapp zwei Dutzend Figuren in braun-weiß, bzw. grünen Leibchen zu sehen waren. Die Mannschaft trainierte für den Auftritt am nächsten Tag gegen Mainz. Ich wusste schon, warum ich an genau diesem Tag wiedergekommen war. Hat sich ja auch gelohnt, ein 1:0 gegen den Tabellenzweiten kann sich sehen lassen.

Abends mit der Mutter telefoniert. Ich sollte aufpassen, wen ich küsse, es sei ein Magen-Darm-Virus unterwegs. Ich versprach vorsichtig zu sein, ohne zu wissen, dass diese Krankheit sich vermutlich schon in der Klimaanlage des Flugzeugs eingenistet hatte, um sich während des vierzehnstündigen Flugs voll und ganz meinem Körper zu widmen.

Heute zum Abschluss des Urlaubs mit E. und S. das weihnachtliche Kaffee.Satz.Lesen besucht, sozusagen als kulturellen Jahresabschluss. War ganz prima, besonders Finn-Ole Heinrich und Patrick Klebba waren herausragend.

A propos Weihnachten: Selten fühlte ich mich am dritten Advent so wenig weihnachtlich wie dieses Jahr. Nicht, dass in Chile nicht auch das Weihnachtsfest vorbereitet würde, doch diese Weihnachtsdeko im Sommer kann man leicht als eigensinnige Schrulle abtun, wenn man Weihnachten fest mit kalt & dunkel assoziiert. Muss noch irgendwie Weihnachtsstimmung aufholen. Habe schon tausendmal „Immer wieder Sonntags“ gehört, mein inoffizielles Weihnachtslied des letzten Jahres, aber es hilft nur begrenzt.

Morgen kommt der gruselige Tag, an dem mich im Büro ein übergelaufenes Outlook-Postfach und ein hoffentlich in guten Bahnen verlaufenes Projekt erwarten. Wenn ich mich nicht freuen würde, auch bei der Arbeit den einen oder die andere wiederzusehen — ich hätte nichts dagegen, noch bis zum Ende des Jahres zu Hause zu bleiben.

Argentinien

Seit vier Tagen bin ich nicht mehr in Chile, sondern mache einen kurzen Zwischenstopp in Argentinien. Nicht lang genug, dass ich hinterher erzaehlen kann, ich haette Chile und Argentinien bereist, aber immerhin lange genug, um ein paar Unterschiede feststellen zu koennen. Erster Unterschied: Hier darf man das Klopapier ins Klo werfen. In Chile nicht, da sind die Rohre in den Haeusern so alt und anfaellig fuer Verstopfungen, dass… aber lassen wir das. Definitiv eine der nicht so schoenen Erfahrungen in Chile. Zweitens: Das Spanisch hier ist wesentlich besser zu verstehen als das chilenische Spanisch. Die Leute sprechen langsamer und deutlicher. Drittens: Es ist einen Tick preiswerter. Vorgestern habe ich so ziemlich das beste Steak meines Lebens gegessen, mit Suppe und Nachtisch und Getraenken habe ich nicht mal sechzehn Euro bezahlt. A propos Geld: Ist nicht ganz leicht, gleiczeitig mit vier Waehrungen zu hantieren: Chilenischer Peso, Argentinischer Peso, US Dollar und Euro als Referenz. Bislang bin ich nicht verarmt, ist aber eher Zufall.

In Argentinien besuche ich zwei Orte: El Calafate, von wo aus ich dieses hier schreibe, und El Chaltén. In El Chaltén habe ich die letzten drei Tage verbracht. Ich bin nicht sicher, ob es ein verschlafenes Nest oder die boomendste Stadt ist, in der ich bisher war. Gegruendet am 12.10.1985, um moeglichen Grenzschwierigkeiten mit Chile vorzubeugen, ist diese Stadt so jung, dass es noch nicht einmal einen Friedhof gibt. Die Frau im Hostel meinte, dass fdort noch niemand gestorben sei.

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El Chaltén ist der Startpunkt fuer Wanderungen rund um den Berg Fitz Roy und die ihn begleitendenden Gletscher. Habe selbst zwei Tageswanderungen gemacht. Wunderschoen,die Gegend. An Bergen, Seen, Baechen und Gletschern kann ich mich ja kaum satt sehen.

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A propos Gletscher: Morgen besuche ich noch die groesste Attraktion in der Gegend: Den Glaciar Perito Moreno. Habe eine Tour mit Wanderung auf dem Gletscher gebucht.

Heute sass ich 3,5 Stunden im Bus von El Chaltén nach El Calafate. Uebermorgen geht es zurueck nach Puerto Natales (5 Std. Busfahrt), dann nach Punta Arenas (3 Std. Busfahrt), dann nach Santiago (6 Std. Flug) und am Mittwoch ab nach Hause. Ob man Busfahren einfach so absetzen kann? Ganz ohne Entzugserscheinungen?

Tag zur freien Verfuegung

Nach drei Tagen im Nationalpark Torres del Paine war der urspruengliche Plan, heute nach El Calafate in Argentinien weiter zu reisen. Doch der Bus war voll und ich konnte erst fuer morgen einen Platz ergattern. Auch nicht schlimm. Das gibt mir die Chance, auch mal auszuschlafen, einen Tag durchzuatmen, im Erratic Rock Hostel auszuspannen und mal wieder zu bloggen. Ist ein ganz schoenes Hostel. Eher Backpacker als Bed and Breakfast — wobei das Fruehstueck heute morgen das beste war, was ich bisher in Chile morgens zu essen bekommen habe. Sehr gemuetlich ist der Aufenthaltsraum im ersten Stock, wo man seine Campingklamotten trocknen kann und Erfahrungen mit anderen Besuchern des Parks austauschen kann.

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Ausserdem solche profanen Dinge zu tun wie Waesche zur Reinigung bringen (selber waschen habe ich hier noch nicht gesehen) und die Wanderschuhe neu einzuwachsen. Habe doch ein wenig nasse Fuesse bekommen im Park. Ach ja, der Park. So eine Landschaft habe ich nocht nicht gesehen. Diese Mischung von Bergen, Seen und Gletschern — das war noch beeindruckender als die Westkueste Neuseelands. Leider hatte ich mir keinen guten Plan zurechtgelegt, was ich tun moechte. Anders als die meisten Besucher, habe ich nicht das „W“ gemacht, eine mehrtaegige Wanderung, die auf der Karte aussieht wie der Buchstabe „W“. Haette ich aber machen koennen. Campen muss man dafuer nicht und die richtige Ausruestung hatte ich eigentlich auch. Aber das faellt mir erst spaeter auf.

Stattdessen habe ich den rechten Schenkel des W erwandert — in mehr oder weniger stroemendem Regen. Haette ich nicht Lawrence und David wiedergetroffen (Zufall, Zufall), waere mir das auch nicht gelungen, aber so habe ich doch nicht nur einen Spaziergang gemacht, sondern recht stramme acht Stunden und knapp 23 Kilometer, die zwischendurch auch mal anstrengend waren. Hinterher war ich tropfnass, zumindest am Unterkoerper. Die oberen Schichten haben gut funktioniert und auch die Sachen im Rucksack sind trocken geblieben (alles in Muelltueten gepackt).

Habe kaum Fotos gemacht an dem Tag, war einfach zu nass und wolkig. Eins aber, auf dem die Weite der Gegend leider nicht annaehernd zum Tragen kommt, ist dieses hier:

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Aufregendere Bilder konnte ich gestern machen, bei einer Bootstour ueber den Lago Grey zum Glacier Grey. Wenig backpackermaessig diese Tour, war sie doch sauteuer und von einem eher hochklassigen Hotel organisiert, in dem ich aber nicht uebernachtet habe. Richtig nah rangekommen sind wir an den Gletscher und obwohl das Wetter morgens um sechs beim Aufwachen noch katastrophal war, riss der Himmel auf, als wir an der Frontseite des Gletschers ankamen.

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Das Wetter in Patagonien ist vollkommen unberechenbar. Im Hochsommer geht es vielleicht etwas besser, aber im Fruehsommer kann man wirklich an einem Tag alle Jahreszeiten geniessen; der Wind ist extrem. Hier gilt wirklich der abgenutzte Spruch, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Ausruestung gibt.

Kurz vor der Abfahrt aus dem Park zurueck nach Puerto Natales haben die Wolken doch noch ein wenig Erbarmen gezeigt und sich kurz zurueckgezogen, sodass ich wenigstens die Gipfelkette Los Cuernos del Paine schoen sehen konnte.

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Morgen geht es weiter nach Argentinien. Drueckt mir mal die Daumen, dass heute noch jemand seine Buchung im Erratic Rock nicht wahrnimmt, den ein festes Bett konnte mir Bill nicht zusagen. Unter der Bruecke werde ich aber nicht uebernachten muessen, hier gibt es keine Bruecke.

24 Stunden zum hoffentlich nie vergessen

Donnerstag ist immer der Hoehepunkt der Woche in Puerto Natales. Das ist der Tag, an dem die Navimag-Faehre aus Puerto Montt ankommt, nachdem sie 4 Tage durch die Fjorde geschippert ist. Ich bin heute morgen allerdings nicht mit der Faehre, sondern mit dem Bus angekommen. Neben mir Irina, mit der ich den Abend im Restaurant La Luna und der daneben liegenden Bar verbracht habe. Wie die Bar heisst, weiss ich nicht mehr, aber nachdem wir zwei Flaschen Wein (und die Reste aus der Flasche vom Nebentisch) getrunken hatten, war das auch egal. Solange man dort Caipirinhas reichte. Gegen 1 Uhr trennten sich unsere Wege an einer Kreuzung, an der wir uns fuer heute, viertel nach acht morgens verabredet haben. Ich habe noch schnell die Strassenschilder fotografiert, um es die Kreuzung am naechsten Morgen wiederzufinden. War ein aufregender Abend, ich kann nicht verhehlen, ein wenig verzueckt von ihr zu sein.

Waehrend der drei Stunden Busfahrt von Punta Arenas nach Puerto Natales war ich im Halbkoma, die Getraenke vom Vorabend forderten ihr Tribut.

Im Erratic Rock Hostel kriege ich noch ein Einzelzimmer und eine Einladung zum taeglichen „Was geht wo und wie im Torres del Paine Nationalpark“ Gespraech um 15 Uhr. 15 Uhr ist schlecht, denn da moechte ich Irina am Platz in der Stadtmitte wiedertreffen. Mache mich auf die Suche nach ihr, vermute sie unten am Hafen, wo gerade die Navimag Faehre angekommen ist. Sie treffe ich zwar nicht, aber dafuer innerhalb von fuenfzehn Minuten erstens die beiden Briten aus Pucón (Lawrence und David — jetzt kenne ich auch ihre Namen), Michael und Charlotte aus Puerto Varas und schliesslich auch Marion und Ingo, mit denen ich die ersten Tage in Santiago verbracht habe. Das fuehlte sich an wie ein Klassentreffen.

Den Nachmittag mit Irina in einem Café verbracht und einen monsterheftigen Regenguss an uns vorueberziehen lassen. Schnell noch einkaufen und zum Restaurant, in dem wir uns alle verabredet haben. Irina, Marion und Ingo nehmen heute abend die Faehre nach Puerto Montt. Zumindest Irina freut sich, schon vorab Leute vom Schiff zu kennen.

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Ich bringe die drei noch zum Hafen und fotografiere Schiff, Sonnenuntergang und die neuen Freunde. Ein wenig wehmuetig ist es schon, die drei an Bord gehen zu sehen. Ich wuerde gerne noch mehr Zeit mit ihnen verbringen, aber auf mich warten ab morgen andere Abenteuer: drei Tage Wandern im Torres del Paine Nationalpark. Bin ein wenig nervoes, denn in diesem Park kann man gut und gerne alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Nur windig ist es wohl immer.

Gleich gehe ich zurueck ins Hostel und versuche, mein Gepaeck fuer die naechsten drei Tage zu organisieren. Bis bald.

Das war’s, Region X. War schoen bei Dir

Tag 10. Bin heute von Puerto Varas nach Punta Arenas gereist. Vier Tage in einem wunderbaren Hostel mit ganz und gar netten Leuten und drei schoenen Ausfluegen liegen hinter mir. Ein paar Eindruecke von den Wanderungen gefaellig? Bitte sehr!

Auf dem Weg zu der Wanderung vor drei Tagen kamen wir an einem Fjord vorbei. Gerade war kein Wasser da.

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Volcan Osorno, davor der Rio Petrohue:

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Habe natuerlich vergessen, wie diese Pflanze heisst. Die leuchtet aber auch ohne Photoshop so rot:

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Es ist wirklich unglaublich, wie leicht es ist, bei diesen Backpacker-Reisen Leute kennenzulernen. Meistens reicht es, im Bus oder Flugzeug irgendjemanden anzusprechen, um irgendetwas gemeinsam zu unternehmen. Vielen Dank bislang an Ingo, Marion, Scott, Drew, die beiden Briten, die beiden Stuttgarterinnen, Julia, Katti, Michael, Charlotte, Friderike, Katja, Steven, Paul, Stephanie aus Kanada, Andrea aus Italien und jetzt schonmal an Irina, obwohl wir eben erst im Bus gemeinsam vom Flughafen in die Stadt gefahren sind. Wir sind um sieben zum Essen verabredet. Ihr habt einen grossen Teil dazu beigetragen, dass ich mich hier so sauwohl fuehle.

Lebenszeichen am fuenften Tag

Geht das alles schnell hier! Kaum dass ich mich versehe, ist schon der fuenfte Tag der Reise angebrochen. Doch nicht nur die Zeit vergeht schnell, auch die Eindruecke und Erlebnisse auf dieser Reise sind zahlreich und intensiv: Nach zwei Tagen in Santiago, die ich in sehr angenehmer Begleitung zweier Mitreisender, die ich im Flugzeug kennengelernt habe, verbracht habe, bin ich vorgestern nach einer elfstuendigen Busfahrt (note to self: sowas das naechste Mal ueber Nacht machen…) im kleinen Ort Pucón angekommen, dem Mekka des Outdoor-Sports noerdlich von Patagonien.

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Hier dreht sich alles um den Vulkan Villarica, den ich direkt am naechsten Tag im Rahmen einer gefuehrten Wanderung erklimmen wollte. „Wollte“ trifft es gut, denn gestern habe ich auf die harte Tour gelernt, dass ein solcher Ausflug fuer einen Sesselpuper wie mich kein einfacher Spaziergang ist und ein wenig Vorbereitung notwendig ist — mehr Vorbereitung, als nur ein wenig Proviant zu kaufen. Vielleicht hilft es auch, am Tag davor im Bus nicht nur eine einzige Rolle Kekse und sonst nichts gegessen zu haben. Oder sich geistig auf einen Aufsteig von 1600 Hoehenmetern vorzubereiten. Nach knapp 1100 war Schluss. Ging nicht mehr. Jeder Schritt im Schnee war zu anstrengend. Der Blick war trotzdem prima:

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Ach ja: Kennt irgendjemand eine Sonnenmilch, die nicht zerlaeuft, in die Augen laeuft, dafuer sorgt, dass ich vor Traenen nichts mehr sehe und die Nase so anfaengt zu laufen, dass ich das Gefuehl habe, saemtliche Koerperfluessigkeit in Form von Rotze zu verlieren? Fuer Hinweise bin ich dankbar.

Auf jeden Fall bleibe ich noch einen Tag laenger hier als geplant. Morgen wird das Wetter wieder besser — heute ist es sehr bewoelkt. Klingt doch nach einem prima Tag fuer einen Ausflug zu den Thermalquellen hier in der Naehe, oder?

Für die Zwischenzeit

Wie angedeutet, kann es sein, dass ich für ein paar Tage internetmäßig abtauche. Soll aber keiner sagen, dass ich mich nicht um meine Leser kümmere, denn ich öffne mein Erinnerungskistchen und präsentiere Euch ein paar ältere Texte, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe: Meine Reisetagebücher.

Wer wissen will wie es mir 2002 und 2004 in Neuseeland und 2005 im südlichen Afrika ergangen ist, kann sich das mit reichlich Bildern garniert ansehen.

Bis die Tage.

Wir leben im Westen, im Westen ist’s am Besten.

Wir leben im Westen, im Westen ist’s am Besten. Diesen Spruch schleppte der Freund A. vor vielen Jahren an, vermutlich war er kurz vorher bei seinem Bruder gewesen, der als Bundeswehrflüchtling Anfang der 80er nach Berlin an die Köpenicker Straße gezogen war und sich ca. 1986 mit Aussagen wie „Wartet mal ab, wenn die Mauer fällt, lebe ich im Stadtzentrum“ in unseren Augen sehr falsche Hoffnungen machte. Doch ich schweife ab.

Heute stelle ich eine gewagte These auf: In deutschen Städten gibt es ein dramatisches West-Ost-Gefälle. Wenn ich die Städte, die ich kenne, betrachte, fällt mir auf, dass die besseren Stadtteile üblicherweise im Westen der Stadt liegen, die östlichen Stadtteile hingegen einen haut goût haben, der es nicht gerade erstrebenswert macht, dort zu wohnen.

„Bessere“ Stadtteile liegt natürlich sehr deutlich im Auge des Betrachters. Daher versuche ich, den Begriff genauer zu fassen: „Gegenden, in die Leute ziehen würden, wenn sie das notwendige Geld hätten“, oder: „Gegenden, in die sich Leute orientieren, wenn sie neu in die Stadt ziehen“. Das muss nicht ausschließlich „teuer“ heißen, aber der Preis für Wohnungen spielt eine Rolle. Andere Einflüsse sind die Angesagtheit des Stadtteils, hauptsächlich gemessen an der Anzahl Studenten (und Ex-Studenten), sanierter Altbauten, Kneipen, kleiner und bunter Läden. Genau genug definiert? Ach, Ihr wisst schon, was ich meine.

Die Grenze zwischen Osten und Westen einer Stadt kann durch eine natürliche Grenze (Fluss, See), eine Straße oder eine Eisenbahnlinie gezogen werden.

Zu den Beispielen:

  • Hamburg: Westliche Stadtteile wie Eppendorf, Eimsbüttel, Schanze, Ottensen kommen in dem Spruch „Barmbek, Wandsbek, Billstedt, Horn erfand der liebe Gott im Zorn.“ nicht vor. Die Stadt wird geteilt durch die Außenalster. Alsternahe Stadtteile wie Winterhude und Uhlenhorst bilden die Ausnahme.
  • Düsseldorf: Klare Grenze ist der Rhein. Die westlichen Stadtteile Ober- und Niederkassel sind vielleicht nicht ausnehmend cool, aber dafür ist der Preis für Wohnungen hier deutlich höher als im Rest der Stadt.
  • Köln: In einer Stadt, in der die östliche Rheinseite „schääl Sick“ genannt wird, ist schon klar, dass es nicht gerade oberschick ist, in Deutz, Kalk oder Mülheim zu wohnen.
  • Osnabrück: Frag einen beliebigen Osnabrücker, wo er am liebsten wohnen würde, und Du hörst das magische Wort „Katharinenviertel“. Die Stadtteile, die östlich der die Stadt durchschneidenden Eisenbahnlinie liegen, sind eher Arbeitersiedlungen, grau und definitiv nicht angesagt.
  • Münster: Ist in etwa vergleichbar mit Osnabrück. Ob die Neugestaltung des Hafens etwas an der Situation ändern wird, wage ich zu bezweifeln.
  • Hannover: Linden, Herrenhausen, Nordstadt — alles auf der westlichen Seite der Eisenbahn.

Soviel zu meinen Beispielen. Jetzt kommt Ihr. Und kommt mir bitte nicht mit Berlin. Berlin betrachte ich noch als zwei Städte. Und Mitte/Prenzlauer Berg liegen auch eher im Westteil der Oststadt. qed.

Fokussierung auf Kernkompetenzen

Ein leicht abgerissener Mann mit einer speckigen Umhängetasche sammelt im ICE die liegen gelassenen Plastikflaschen ein. Ein Mitreisender macht ihn auf eine Stofftasche mit Bierflaschen aufmerksam, die verlassen auf einem der Sitze steht:

Reisender: Die Bierflaschen sollten Sie auch mitnehmen, das sind ja auch Pfandflaschen.
Flaschensammler (schaut missmutig in den Beutel): Die sind aber privat, oder?
Reisender: Na, die Leute, die die liegen gelassen haben sind schon weg. Lohnt sich doch, sind ja einige Flaschen.
Flaschensammler (mit dem leicht indignierten Ton eines Spezialisten): Ich bin doch Plastiksammler, das hier sind Glasflaschen.

Hoffentlich steigt auch noch ein spezialisierter Glasflaschensammler ein, den Beutel hat sein Plastikkollege nicht mitgenommen.

Zurück vom Wochenende

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Eigentlich lohnt sich das ja nicht. Wenn nicht ein Feiertag ans Wochenende grenzt, ist es schon ein ziemlicher Akt, zuerst vier Stunden mit dem Zug von Hamburg nach Düsseldorf zu fahren, dort in ein Auto umzusteigen und nochmal zweieinhalb Stunden Fahrtzeit draufzulegen, um mit ein paar unverrückbar guten Freunden anderthalb Tage in der Eifel zu verbringen.

Andererseits gibt es kaum einen Ort, an dem ich soviel Ruhe verspüre wie in unserem Haus in dem kleinen Dorf im Landkreis Wittlich. Dort kann ich mich fallenlassen, in Erinnerungen an unzählige Ferien mit der Familie schwelgen und gleichzeitig merken, dass diese Wochenenden mit dem Schulfreundeskreis in den letzten Jahren eine wunderschöne Tradition geworden sind.

Spazierengehen im Wald, herumlümmeln um den großen Kaminofen, mit sinnloser Konstanz leckere Dinge in mich hineinstopfen, das geht sehr gut in dem Stammhaus der Familie, in dem Dorf, aus dem meine Sippe sich vor Generationen verabschiedet hat, aber zu dem immer noch eine enge Beziehung besteht.

Ein großes Vergnügen ist auch immer wieder zu sehen, wie gut die Freunde eingespielt sind. Da muss niemand zweimal gebeten werden, irgendwo Hand anzulegen. Es muss nicht ausgelost werden, wer am Abend kocht und wer sich drum kümmert, dass die Öfen dauernd heiß sind, vom rituellen Hausputz am Abreisetag ganz zu schweigen.

Und weil das alles soviel Spaß macht, lohnt es sich eben doch umso mehr, dort hinzufahren. Wenn es auch nicht mal 48 Stunden sind, die wir dort verbracht haben. Hat sich angefühlt, wie eine kleine Woche Urlaub. Hach, seufz.