Archive for the 'Sprachgefühl' Category

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Im Kopf der Apostroph-Mafia

An dem Büro, das ich in Frankfurt nutze, steht außen am Türschild „Buchbare Arbeitsplätze“. Innen sind ein paar Regeln festgehalten, wie das mit dem Buchen dieser Schreibtische funktioniert. Beachtet bitte die Überschrift:

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Aus einem perversen Vergnügen rein wissenschaftlichem Interesse heraus hätte ich gerne in dem Kopf der Person gesteckt, als sie diese Wörter so geschrieben hat. Was passiert in dem Moment? Wie kommt man drauf, den Plural von „do“ mit einem „e“ anzureichern, bei „don’t“ aber ein Apostroph zu verwenden, dabei sogar das andere Apostroph zu entfernen, denn — wie sieht das denn aus? — zwei Apostrophe in einem Wort? Spätestens dann muss man doch merken, dass da irgendwo etwas nicht ganz stimmen kann.

Es ist mir ein Rätsel. Und ich sehe ja ein, dass es Wichtigeres auf dem Planeten gibt als sich über so etwas zu wundern, z.B. Kursbücher auswendig lernen.

Now all mitmachen please!

Die Gröner macht’s, die Isabo macht’s und der Apple Web Store klinkt sich auch gleich mit ein:

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Perhaps it’s the richtige Zeitpunkt to mitaufspringen on the Zeitgeistwelle.

Grammatik bei der Deutschen Bahn

Lobenswert ist ja, dass die Zugbegleiter der Deutschen Bahn seit mittlerweile einigen Jahren die Ansagen über nächste Halte und Anschlusszüge auch auf Englisch machen. Dass das manchmal komisch klingt, weil stark akzentgefärbt, soll kein Hinderungsgrund sein.

Wenn ich aber noch ein einziges Mal „We will arrive Hamburg“ hören muss. schreie ich oder zwinge den armen Kollegen, den Wörterbucheintrag von „arrive (Verb, intransitive)zu essen auswendig zu lernen.

Dem Spaßvogel, der bei der Bahn auf die Idee gekommen ist, dass man arrive auch ohne „in“ oder „at“ verwenden kann, in der vagen Hoffnung, dass es dann so etwas wie „erreichen“ heißt, verleihe ich die Goldene Präposition 2007. Nicht nur dass das ungrammatisch ist, die Verwendung von „arrive“ gibt dem ganzen auch noch eine falsche Note, wie die zu Rate gezogene Übersetzerin fest stellte. To arrive hat etwas Endgültiges, legt den Endpunkt einer Reise nahe. Die Konnotation eines Zwischenstopps geht dabei etwas unter. Also, liebe Bahn, wie wäre es in Zukunft mit: „Our next stop will be Hamburg“. Der Dank eines Stammkunden ist Euch gewiss.

Die größte Sachbearbeiterin der Welt

Habe vor ein paar Tagen meinen Zweitwohnsitz in der Mutterstadt aufgegeben, dazu musste ich dort im Bürgerüro mit Frau K. verhandeln.

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Frau K. war bestimmt nicht von einem Format, das die spanischen Behörden im Kopf hatten, als sie das Modelverbot für Magersüchtige erlassen haben, aber das, was der Oberbürgermeister in den Briefkopf schreibt, finde ich ein wenig schnippisch. „Eingang Friesenstraße“ — sooooo groß war die Frau nun wirklich nicht.

Rechtsradikale Gematrie

Die Rechtsradikalen sind zwar primitiv in den Köpfen, aber für Zahlenspiele gerne zu haben. Da ziehen sie irgendeine Mystik raus. Besonders die 1 und die 8 haben es den Neonazis angetan, da A der erste, H der achte Buchstabe des Alphabets ist. Daraus kann man Hitlers Initialien basteln, oder auch den Hitlergruß in Form der Zahl 88 symbolisieren.

Anfang der Neunziger Jahre gab es in Mölln einen Treffpunkt der rechten Szene, der sich Club 88 nannte. Das ging damals durch die Medien und der Zusammenhang zwischen der Zahl und den Neonazis blieb kaum jemandem verborgen. Außer vielleicht den Leuten, die in Mecklenburg(!!!) das Feriendorf Fleesensee kontruiert haben, und ausgerechnet dem Jugendzentrum den Namen „Pier 88“ gaben, weil es halt im achtundachtzigsten Haus der Ferienanlage stand. Auf meinen Brief an die Verwaltung des Feriendorfs, in dem ich sie darauf aufmerksam machte, erhielt ich nie eine Antwort.

Nun macht mich der treue Leser Eckart auf eine Pressemeldung aufmerksam, die ich zwar zur Kenntnis genommen hatte, mir aber nichts gedacht hatte. Der Einfachheit halber zitiere ich hier ausnahmsweise mal wieder Spiegel Online:

„Einigung nach jahrelangem Rechtsstreit: KarstadtQuelle wird die Erben der von den Nazis enteigneten jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim entschädigen. Nach Angaben der Jewish Claims Conference zahlt der Konzern 88 Millionen Euro.“

Dazu Eckart:

88 Millionen, ja? Ausserdem könnte man den Erben in den Kaufhäusern einen tausendjährigen Rabatt von 1,8% einräumen. Nur so als Idee.

Ob da wohl mehr hintersteckt? Den Erben nochmal nachträglich einen reinzuwürgen? Lasst die Verschwörungstheoretiker von den Leinen!

Bitte desambiguieren Sie jetzt!

Der Tippfehler im Artikel des Handelsblatts über den Kurseinbruch an Chinas Börsen trägt nicht gerade zum besseren Verständnis der Kernaussage des Satzes bei. Oder aber der Autor weiß auch nicht, wie die Gesetze des Parlaments einzuordnen sind…

Es wird erwartet, dass Chinas Parlament einige marktfreindliche Gesetze verabschiedet, was in den Kursen aber schon weitgehend berücksichtigt war.

Brief an die Meiendorfer

Liebe Meiendorfer,

Das Hamburger Abendblatt berichtet heute im Aufmacher des Lokalteils von Eurer geplanten Demonstration, mit der Ihr Euren Protest über die Schließung Eurer Post-Filiale deutlich machen wollt. Dort heißt es:

Demonstration in Meiendorf geplant. Anwohner wollen Post mit Sarg und Kranz symbolisch zu Grabe tragen.

Das „symbolische zu Grabe tragen“ mit einem Sarg bei einer Demonstration, liebe Stadtberzirksgenossen, ist so ziemlich das langweiligste, stereotypste und abgeschmackteste, was man bei einer Demonstration machen kann. Mit den Dingen, die alle schon mit einem Sarg symbolisch zu Grabe getragen wurden, kann man wahrcheinlich den Marianengraben auffüllen und obendrein noch ein Skigebiet auf den dadurch entstandenen Dreitausender bauen. Das war schon abgenutzt, als ich 1993 bei meiner ersten Studentendemo dabei war; seitdem ist diese Metapher nicht aktueller geworden.

Also, liebe Meiendorfer, noch habt Ihr Zeit bis zu Eurer Demonstration. Zeit mal ein wenig Kreativität und lasst den Sarg zu Hause. Oder besser noch: Tragt doch mal das zu Grabe Tragen zu Grabe.

Einheitsbrei mit Soße

Eher selten komme ich in die Verlegenheit, einen Radiosender abseits vom Deutschlandfunk zu hören. Es ist für mich nahezu eine Qual, dem Dudelfunk, dem Formatradio, der Pest des Äthers zuzuhören. In jedem Sender die gleiche Musiksoße, die gleichen indifferent fröhlichen Moderatoren, die gleichen hirnrissigen „Ich bin der Klaus aus Poppenbüttel“ Anrufspielchen.

Was in mir totales Unverständnis hervorruft, ist, wie in den Jingles dieser Sender die Sprache verdreht wird. Dass Sender, die nicht mehr als geschätzte 30 CDs im Repertoire haben und die ewig gleichen Turner-Adams-Cocker-Sting Klamotten spielen, ihre Musikauswahl auch noch als „vielfältig“ bezeichnen, ist mir ein Rätsel. Wie kann man denn verstehen, dass ein Sender, der nur „Megahits“ (Hat dieses Wort schonmal jemand benutzt? Außerhalb der PR-Abteilung eines Dudelsenders?) spielt, dieses Programm auch noch als „Vielfalt“ definiert? Das schließt sich doch aus.

Im Sommer mache ich eine Eisdiele auf: „Jetzt mehr Vielfalt — 64 Sorten Vanilleeis.“

Rummenigge, alter Sklavenhändler

Heute rummenigget es ganz erheblich aus der SZ heraus. Über die Formkrise des FC Bayern schreibt man dort mit einem Zitat des Bayern-Vorstandsvositzenden:

Auch Spieler-Nachkäufe kurz vor Ablauf der Transferperiode am 31. Januar seien kein Thema, denn es gebe nur „drittklassige Ware zu überteuerten Preisen“.

Vielleicht sollte der Mann sich mal an Tifus, den Sklavenhändler, wenden, den wir in „Asterix und der Lorbeerkranz“ auf Seite 15 kennenlernen. Nachdem Obelix am Assistenten beweisen durfte, wie stark er ist, heißt es dort:

Ja, nicht schlecht! Aber ich führe nur Luxusartikel. Bedenkt, dass ich den cäsarischen Haushofmeister erwarte, der mir bei neue Ware kaufen will…

Wenn Beckenbauer „der Kaiser“ ist, ist Rummenigge als Vorstandsvorsitzende bestimmt der Haushofmeister. Hut ab vor der Weitsichtigkeit der Monsieurs Uderzo und Goscinny! Chapeau!

Nachrichtenkanal gesucht

OK, SPON, Ihr habt es geschafft. Jahrelang hielt ich Euch die Treue, jahrelang wart Ihr meine wichtigste Nachrichtenquelle. Ich habe mich damit abgefunden, dass Ihr nicht umhin könnt, immer das worst case Szenario anzunehmen und aus allen Nachrichten das Schlimmste herauszuholen. Ich kann damit leben, dass Ihr häufig schlampig korrigiert und sich echte Stilblüten bei Euch häufen. Doch heute habt Ihr Euch überboten: Unter dem Titel „Durchblickologe oder Vollsocke?“ bietet Ihr ein Jugendsprachquiz an. Ihr entblödet Euch nicht, das auch noch mit dem Vortext

Voll depriletto drauf, weil abgeaxtet? Achselkaffee auf dem Shirt? Wer solche Sätze nicht rallt, ist ein Hirschkopf, schließlich ist das offiziell Jugendsprache.

anzukündigen. Nun bin ich raus. Ich kann Euch nicht mehr ernst nehmen. Ich würde ja noch annehmen, dass es sich um einen Witz handelt, aber das Wörtchen „offiziell“ zeigt, dass Ihr Euren Scheiß auch noch ernst nehmt. Die einzigen Leute, die das Wort „offiziell“ noch in den Wort nehmen, schicken mir Mail mit dem Subejct „Volksbank: Die offizielle Mitteilung“.

Aus diesem Grund erfolgt hier eine weltweite Ausschreibung. Zu besetzen ist der oberste Platz auf meiner Liste von Nachrichtensites. Wer sich darum bewerben möchte, schreibe bitte eine kurze Nachricht in die Kommentare. Auswahkriterien sind Aktualität, breite Themenauswahl und vor allem ein Schreibstil, bei dem ich nicht das kalte Grausen kriege. Schon jetzt vielen Dank für Eure Anregungen.