Archive for the 'Feuilleton' Category

Heiliger Boden?

Seit ein paar Tagen — genauer gesagt: seit ich das erste Plakat für den Konzertmitschnitt auf DVD gesehen habe — zermartere ich mir den Kopf, was Lotto King Karl sich mit dem Titel „Heimspiel auf heiligem Boden“ gedacht hat. Wenn ich das richtig recherchiert habe, handelt es sich um die Aufzeichnung eines Konzerts in der Color Line Arena. Heimspiel? OK, die CoLinA ist ja nah genug dran an der HSH Nordbank Arena, zu der Herr Lotto ja eine enge Beziehung hat (ich lass HSH Nordbank Arena hier mal so stehen und hoffe, dass in drei Jahren, wenn das Ding anders heißt, sich Leute fragen, was das wohl war, die HSH Nordbank Arena). Aber „heiliger Boden“? Wenn es in Hamburg eine seelenlosere Halle gibt als die Color Line Arena, bitte ich um Nachricht. Sowas kann doch allein deshalb nicht heiliger Boden sein, weil das Ding erst seit 2002 existiert. Für Heiligkeit bedarf es doch zumindest ein bisschen Tradition. Wenn ich außerdem gerade mal einen Satz aus der Wikipedia zitieren darf:

Im März 2002 feierte man Richtfest und am 8. November 2002 wurde die Color Line Arena mit einem Konzert von Wonderwall, Sasha und Phil Collins feierlich eröffnet.

Na, das sind doch beste Voraussetzungen für „heiligen Boden“. Ähem. Wenn es denn die Bühne im Stadtpark gewesen wäre, hätte ich den Titel der DVD ja verstehen können.

Aber ganz ehrlich: Nach fast neun Jahren Hamburg ist mir das Phänomen Lotto King Karl ohnehin verschlossen geblieben. Es gibt halt in jeder Stadt Dinge, die man als Zugereister nicht verstehen kann.

Buchrücken

Ganz angetan von den Fotos bei Anke habe ich mich gestern vor mein Bücherregal gestellt und ein paar Titel zusammengestellt, die mehr oder weniger sinnvolle sprachliche Äußerungen ergeben. Zu blöd nur, dass es so wenig Titel gibt, die mit einem Verb beginnen. Vor allem im Deutschen nicht.

Me Talk Pretty One Day About a Boy In Patagonia.


Musungu Jim and the Great Chief Tuloko
Watching the English Dance Dance Dance.

A Good Man in Africa Playing the Moldovans at Tennis Just for Fun.

Man and Boy Speaking with the Angel On Beauty.

Sehr originell, Scherz Verlag

Auf der Broschüre „Ihr Reiseplan“ im ICE wirbt der zur Fischer Verlagsgruppe gehörende Scherz Verlag für das neue Buch von Ralf Husmann. Da niemand Ralf Husmann kennt, muss eine möglichst reißerische Einordnung dieses Namens in den kulturellen Kontext erfolgen. Bei Scherz hat man sich für den Spruch

„Hier kommt der erste Roman von ‚Stromberg‘-Erfinder Ralf Husmann“

entschieden.

Moment bitte. Stromberg-„Erfinder“ Ralf Husmann? Sag mal, Scherz Verlag, geht es noch? Die Stromberg-Erfinder heißen Ricky Gervais und Stephen Merchant. Nur, dass sie keine Serie namens „Stromberg“ erfunden haben, sondern „The Office“. Mit David Brent haben sie eine der komischsten Figuren entwickelt, die das britische Fernsehen jemals hervorgebracht hat.

Dann kommt so ein laufender Fotokopierer wie Ralf Husmann, plagiarisiert für Pro Sieben das Konzept der Serie bis ins Detail und lässt sich für sein — hoffentlich etwas eigenständiger erdachteres — Buch als „Erfinder“ der kopierten Fernsehserie titulieren.

Dazu fällt mir nichts mehr ein, Scherz Verlag, außer einem vermutlich gnadenlos ausgelutschten Wortspiel mit Deinem Namen. Das Wortspiel ist so offensichtlich und abgenudelt, dass es sich eigentlich von selbst verbietet. Aber da, Scherz Verlag, Du ja offensichtlich Spaß an Kopien und Plagiaten hast, will ich mal nicht so sein: Das soll wohl ein Scherz sein. Gern geschehen.

Lookalike

Ganz entzückend die Fotostrecke heute bei der SZ, in der Besucher von Konzerten fotografiert und nebeneinander dargestellt werden. Ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn Fans sich kleiden wie ihre Idole. Doch losgelöst vom Kontext des Konzerts, nur vor dem weißen Hintergrund der Seite, hat es schon etwas unfreiwillig Komisches, wenn die ganzen Rod Stewarts und Bob Dylans nebeneinander stehen. Und erst die Sex Pistols — ganz und gar gruselig.

Nochmal: Totaldeutsch

Das Titanic-Abo ist gekündigt, habe auch nicht das Gefühl, irgendwas zu vermissen. Inneres Frohlocken jedoch gespürt bei der Ankündigung des Films von Martin Sonneborn, dessen Weggang als Chefredakteur dem Blatt nicht gut getan hat: Heimatkunde. Dringend im September ins Kino gehen und vorher das Fremdschämen abgewöhnen, könnte ein harter Abend werden sonst.

Der große Bruder oder der Dönermann

IMG_6095

An der Rückwand war ein grellfarbiges Plakat, das für einen Innenraum eigentlich zu groß war, mit Reißnägeln an der Wand befestigt. Es stellte nur ein riesiges Gesicht von mehr als einem Meter Breite dar: das Gesicht eines Mannes von etwa fünfundvierzig Jahren, mit dicken Schnauzbart und ansprechenden, wenn auch derben Zügen.

Auf jedem Treppenabsatz starrte ihn gegenüber dem Liftschacht das Plakat mit dem riesigen Gesicht an. Es gehörte zu den Bildnissen, die so gemalt sind, daß einen die Augen überallhin verfolgen. „Der große Bruder sieht Dich an!“ lautete die Schlagzeile darunter.

IMG_6105

(George Orwell, Kurt Wagenseil (Übers.): „1984“)

Mit dem Schwager im Prototypenmuseum

Auf Leute, die sich für Autos interessieren, üben Prototypen einen besonderen Reiz aus. Mich begeistern Autos jenseits des Aspekts der Fortbewegung nicht so sehr, doch der Schwager, der samt Schwester über das Wochenende zu Besuch war, ist schon allein aus professionellen Gründen an Kraftfahrzeugen interessiert. Und in fachkundiger Begleitung sehe ich mir auch gerne Museen an, in die ich allein nicht unbedngt reingehen würde. Außerdem bin ich ja allgemein interessiert an Technik — ganz abgesehen davon, dass ich es immer spannend finde, wie ein Museum aufgebaut ist und wie der Besucher durchgeleitet wird.

Die Sammlung ist eindrucksvoll: sehr schön aufgebaute Fahrzeuge, garniert mit Accessoires zu Rennen und der Technik. Es sind hauptsächlich Rennwagen, bzw. sportliche Autos. Viel Porsche gibt es sehen. Ich hatte auf ein paar Science Fiction-artige Modelle gehofft, so richtig abgefahrene Studien, bei denen immer schon absehbar war, dass sie nur im Kopf des Ingenieurs einen Sinn ergeben.

IMG_5021

Doch leider ist die Sammlung genau dies: eine Sammlung. Ein Sammler stellt seine Schätze aus und hofft, dass die Besucher so kenntnisreich und vorgebildet sind, dass sie sich von Metall, Lack und Technik beeindruckt hingeben. Was dem Museum fehlt, ist die Erklärung zu den Exponaten. Die an den Autos preisgegebenen Fakten gehen selten über Quartettspielwissen hinaus: Wie groß, wie schnell, wie alt. Aber kaum etwas über die Leute dahinter, über den zeitlichen Kontext oder was genau diesen Prototyp auszeichnet. Zwar existieren ein paar PCs, an denen man Informationen abrufen kann, doch die Information ist nicht unmittelbar mit den Exponaten verknüpft.

IMG_5046

Ein wenig mehr Historie bekomme ich im Untergeschoss mit, wo ein älterer Herr mich in ein freundliches Gespräch verwickelt und mir bei einem besonders ramponierten Rennwagen erzählt, dass sein Vater diesen gebaut habe, er ihn selbst als Siebzehnjähriger durch „die Ostzone“ gefahren habe und dass der Wagen dann vergessen Jahrzehnte im Garten gestanden habe und der Witterung ausgesetzt gewesen sei.

IMG_5065

Das war spannend. Durch eine solche Erzählung wird ein Alugerippe zu einem Objekt mit Geschichte, unter der ich mir etwas vorstellen kann, viel wichtiger, ob das Gerät nun hundert oder hunderzehn PS hat.

IMG_5062

Diesen Sammlungscharakter teilt das Hamburger Prototypenmuseum mit anderen technischen Museen. Bei meinem Besuch im Technikmuseum in Speyer vor zehn Jahren hatte ich das gleiche Gefühl: Exponate ohne den Kontext sind nur für denjenigen interessant, der sich mit der Materie auskennt. Erst wenn die Aussteller das verstanden haben, werden Sammlungen zu richtigen Museen.

(Noch ein paar Bilder mehr gibt’s bei Flickr.)

Literatur- und Mutterwochenende

An diesem Wochenende reichlich Kultur getankt: Museen und Lesungen, soweit das Auge reicht. Außerdem mal wieder die Stadtführerfähigkeiten aufpoliert, da die Mutter das erste Mal seit längerer Zeit zu Besuch war. Dass sie am letzten Wochenende nach Hamburg kommen würde, haben wir vor Monaten fest gemacht. Als die Ankündigung zur Bar 4.0 Bloglesung im Javahouse in Eimsbüttel durch die Blogosphäre der Freien und Hansestadt kolportiert wurde, war meine erste Reaktion „Oh weh, da kann ich leider nicht hingehen, habe ja Besuch. Dabei hätte ich gerne die Lu und den Mek wiedergesehen — und die anderen natürlich auch“. Einmal drüber nachgedacht, zweimal drüber nachgedacht, dann überlegt, dass sich Mutterbesuch und digitale Literatur ja nicht ausschließen. Immerhin liest sie seit zwei Jahren hier mit und freut sich daran, auf diese Weise etwas vom Leben des Sohns mitzubekommen, den es in die ferne Stadt verschlagen hat. Sie hatte auch nichts gegen die Idee, also war für die Abendveranstaltung gesorgt, die lange Nacht der Museen hatte das Nachsehen. A propos: Es gibt keinen besseren Tag, um ins Museum zu gehen, als der Nachmittag vor der langen Nacht. Selten so ein angenehm leeres Museum besucht wie die Ballinstadt an diesem Nachmittag.

Einlaufen vor dem Javahouse, nachdem wir uns noch beim Umdieecketürken mit Fast Food versorgt hatten, das wir pflichtgemäß auf den Treppenstufen vor einem Haus an der Osterstraße verspeisten. Großes Hallo zur Begrüßung. Und der Versuch einer Vorstellung: „Das sind Isa, Lu, Mek, Maximilian, das ist meine Mutter.“

Letztlich wurde mein Verhältnis zu Bloglesungen ja etwas getrübt. Doch all dies, was die Lesung im Rahmen des Wordcamps so schwer erträglich werden ließ, blieb an diesem Abend aus: Die Autoren waren mit dem Herzen bei der Sache, das Publikum aufmerksam und sehr konzentriert, die Texte waren mir weitestgehend bekannt, aber nicht totgelesen. Wunderbar. Viel besser als an dem Abend kann eine Bloglesung eigentlich nicht werden. Percanta hat einen interessanten Blick für die Perspektive des Zuhörers. Isa, Cem, Merlix und Lu beschreiben ihren Blick von der Bühne und ich habe ein paar Fotos gemacht.

Der Mutter hat es auch gut gefallen. Schön, sie im Gespräch mit den anderen zu sehen. Sie hat bei sowas ja keine Berührungsängste, geht auf die Leute zu und spricht sie an. Ich hätte wahrscheinlich nie festgestellt, dass der M. ein Ex-Freund einer Freundin meiner Schwester ist. Sie hat es schnell herausgefunden. OK, die Welt ist klein, und Düsseldorf ist ein Dorf, aber trotzdem.

Schön zu sehen, dass sie — obwohl längst in einem Alter, in dem viele Leute sagen: „Das mit dem Internet muss ich in diesem Leben nicht mehr lernen“ — sich auf diese Sachen einlässt und hinter dem Blogdings nicht nur kleine Geschichtchen aus dem Leben ihres Sohnes sieht, sondern auch die Dimension erkennt, dass dies eine Art Literatur ist, für die es noch vor fünfzehn Jahren keine Möglichkeit der Verbreitung gegeben hätte. Ich kann nur hoffen, dass sie bei der an diesem Abend gehörten Qualität nicht abwandert, ich würde einer der treuesten Leserinnen verlieren.

Frau Gröner war in der Oper

…und hat sich das Rheingold angeschaut. Gäbe es nicht schon von Loriot diese hübsche CD mit der Erklärung des Stücks, wäre sie diejenige, die genau den Ton trifft, um die Handlung zu beschreiben:

Überhaupt war der generelle Tonfall eher spöttisch, was okay ist, denn schließlich stellen sich alle im Rheingold nicht gerade schlau an: Wotan verspielt fast die Göttin der ewigen Jugend an die Türsteher, die blöden Rheintöchter lassen sich das Gold unterm Hintern wegklauen, der Dieb des Goldes ist zu dumm, es zu behalten, und überhaupt wundert man sich nach dem Rheingold, ob die Herrscher und Herrscherinnen über das Universum sich wenigstens die Schuhe selber zubinden können.

Ein Stöckchen, mal wieder. Diesmal das über iTunes

Bei akuter Schreibfaulheit kommt so ein Stöckchen doch gerade recht. iTunes benutze ich seit dem Einzug von Mathilda, meinem 40 GB iPod im Jahr 2004. Vorher habe ich praktisch gar keine Musik als MP3 gehabt. Recht schnell entwickelt sich iTunes zu mehr als einer reinen iPod-Tankstelle, sondern zu einem Programm, das immer nebenher läuft. Es ist so essentiell, dass es sogar einen eigenen Bildschirm hat.

Statistik (es geht hier nur um Musik, ja?)

5331 Titel
14 Tage
24 GB

Kürzester und längster Track (ohne Hörbücher)

Dante’s Lament aus dem Clerks Soundtrack (0:05)
Allegro Assai aus Bernstein: Ode an die Freiheit (28:57)

Erster und letzter Track (Titelname)

A-N-N-A, Freundeskreis
55555, Jazzkantine

Erster und letzter Interpret

– Abra Moore (mit Trip on Love aus dem Cruel Intentions Soundtrack)
– 101 String Orchestra (mit Flameout von der Stereo MC’s DJ Kicks)

Erstes und letztes Album (Titel)

– Abbey Road E.P. von den Red Hot Chili Peppers
– 1984 (For the Love of Big Brother) von den Eurythmics

Die fünf meistgespielten Tracks

– 42 Mal: Immer wieder Sonntags von Büro am Strand feat. MC Winkel (*)
– 41 Mal: Title and Registration von Death Cab for Cutie
– 40 Mal: Strand von Hansen Band / Keine Lieder über Liebe Soundtrack
– 39 Mal: Weil die Zeit sich so beeilt von Olli Schulz und der Hund Marie
– 37 Mal: Transatlanticism von Death Cab for Cutie

(*) Das Stück ist Track 1 auf meiner „Jahreshits 2007“. Außerdem zwang mich die K. eines Abends dieses Stück in der Endlosschleife zu spielen, da sind bestimmt 15 Mal zusammengekommen.

Fünf Songs im Partyshuffle

Was soll das denn sein? Nevahoidofit, wie man in New Jersey sagen würde.
Ich lasse Kikis Kommentar aus der Kopiervorlage stehen und schließe mich dem an.

Suche nach folgenden Begriffen – wieviele Songs tauchen als Ergebnis auf?

Sex: 56 (Verschiedene Maxis und Alben von Carter The Unstoppable Sex Machine und Red Hot Chili Peppers Blood Sugar Sex Magik sind dran Schuld!)
Death: 80 (bei gefühlten 20 Alben von Death Cab for Cutie ist das kein Wunder)
Love: 157 (Auch hauptsächlich wegen Album-Titeln)
You: 322
Home: 47
Boy: 219 (Beastie Boys vor allem)
Girl: 61