Wir leben im Westen, im Westen ist’s am Besten. Diesen Spruch schleppte der Freund A. vor vielen Jahren an, vermutlich war er kurz vorher bei seinem Bruder gewesen, der als Bundeswehrflüchtling Anfang der 80er nach Berlin an die Köpenicker Straße gezogen war und sich ca. 1986 mit Aussagen wie „Wartet mal ab, wenn die Mauer fällt, lebe ich im Stadtzentrum“ in unseren Augen sehr falsche Hoffnungen machte. Doch ich schweife ab.
Heute stelle ich eine gewagte These auf: In deutschen Städten gibt es ein dramatisches West-Ost-Gefälle. Wenn ich die Städte, die ich kenne, betrachte, fällt mir auf, dass die besseren Stadtteile üblicherweise im Westen der Stadt liegen, die östlichen Stadtteile hingegen einen haut goût haben, der es nicht gerade erstrebenswert macht, dort zu wohnen.
„Bessere“ Stadtteile liegt natürlich sehr deutlich im Auge des Betrachters. Daher versuche ich, den Begriff genauer zu fassen: „Gegenden, in die Leute ziehen würden, wenn sie das notwendige Geld hätten“, oder: „Gegenden, in die sich Leute orientieren, wenn sie neu in die Stadt ziehen“. Das muss nicht ausschließlich „teuer“ heißen, aber der Preis für Wohnungen spielt eine Rolle. Andere Einflüsse sind die Angesagtheit des Stadtteils, hauptsächlich gemessen an der Anzahl Studenten (und Ex-Studenten), sanierter Altbauten, Kneipen, kleiner und bunter Läden. Genau genug definiert? Ach, Ihr wisst schon, was ich meine.
Die Grenze zwischen Osten und Westen einer Stadt kann durch eine natürliche Grenze (Fluss, See), eine Straße oder eine Eisenbahnlinie gezogen werden.
Zu den Beispielen:
- Hamburg: Westliche Stadtteile wie Eppendorf, Eimsbüttel, Schanze, Ottensen kommen in dem Spruch „Barmbek, Wandsbek, Billstedt, Horn erfand der liebe Gott im Zorn.“ nicht vor. Die Stadt wird geteilt durch die Außenalster. Alsternahe Stadtteile wie Winterhude und Uhlenhorst bilden die Ausnahme.
- Düsseldorf: Klare Grenze ist der Rhein. Die westlichen Stadtteile Ober- und Niederkassel sind vielleicht nicht ausnehmend cool, aber dafür ist der Preis für Wohnungen hier deutlich höher als im Rest der Stadt.
- Köln: In einer Stadt, in der die östliche Rheinseite „schääl Sick“ genannt wird, ist schon klar, dass es nicht gerade oberschick ist, in Deutz, Kalk oder Mülheim zu wohnen.
- Osnabrück: Frag einen beliebigen Osnabrücker, wo er am liebsten wohnen würde, und Du hörst das magische Wort „Katharinenviertel“. Die Stadtteile, die östlich der die Stadt durchschneidenden Eisenbahnlinie liegen, sind eher Arbeitersiedlungen, grau und definitiv nicht angesagt.
- Münster: Ist in etwa vergleichbar mit Osnabrück. Ob die Neugestaltung des Hafens etwas an der Situation ändern wird, wage ich zu bezweifeln.
- Hannover: Linden, Herrenhausen, Nordstadt — alles auf der westlichen Seite der Eisenbahn.
Soviel zu meinen Beispielen. Jetzt kommt Ihr. Und kommt mir bitte nicht mit Berlin. Berlin betrachte ich noch als zwei Städte. Und Mitte/Prenzlauer Berg liegen auch eher im Westteil der Oststadt. qed.