Kleinstkunst am Freitagabend

Schon nach wenigen Minuten nach Beginn der Show in Alma Hoppes Lustspielhaus war klar, dass ich die Veranstaltung früher verlassen würde. Eigentlich schade drum, denn ich hatte mich auf den Abend mit den Kollegen gefreut: Zuerst essen gehen, dann ins Theater. War zwar noch nie ein besonders großer Freund des Kabaretts, aber das Leben ist ja auch mal für eine positive Überraschung gut. Für mich leider nicht in diesem Fall.

Auf dem Programm standen „Die Glücksforscher“, oder — um mit dem Programm des Hauses zu sprechen:

Dieses Programm montiert die aktuelle Politik zu einer Kabarett-Fiction der gemeinen Art: die beteiligten Akteure in Politik, Wirtschaft und Medien werden konsequent durchbeleidigt, dass es eine Freude ist. Und die Unbeteiligten werden ebenfalls in löwenscharfen Senf getaucht. Wenn die Zukunft schon im Halbdunkel liegt, sollte der Humor rabenpechschwarz sein.

Au weia. Gut, dass ich das nicht vorher gelesen habe. Was ich in der ersten Hälfte der Show sah, war ein par force Ritt durch alle gängigen Klischees: Politikerbeleidigungen, das Rumhacken auf Managern, das Nachäffen von Maklern, und die Zurschaustellung grenzdebiler Hotelbedienungstürken im all-inclusive Ambiente.

Wer jedoch großflächig ausgespart wurde, war der bärbeißige, mittvierzigjährige, linksliberale, lederwesten- und schnauztragende Angestellte und Beamte im mittleren Dienst. Wäre ja auch ein wenig viel verlangt gewesen, die eigene Klientel mit den gleichen Platitüden zu versehen, wie „Diedaoben“. Bis auf den einen Zuschauer auf dem Opfersitz in der ersten Reihe — aber wer sich bei Kleinkunst in die erste Reihe setzt, schreit ja geradezu danach, in die Deppenrolle gedrängt zu werden. Der und alle anderen, die sich gesellschaftlich ausreichend weit von den Besuchern des Theaters entfernt befinden, wurden mit einer fies riechenden Soße aus Mittelmäßigkeit übergossen.

Es tut auch niemandem weh, wenn man über Roland Koch die unglaublich innovative Feststellung trifft, dass er aussehe wie ein Schwein. Nee, was haben wir gelacht darüber. Doch Innovativität war eh nicht die Stärke des Duos Petersen/Loenicker. Hätten sie ein wenig künstlerischen Anstand, wäre es ihnen vielleicht albern vorgekommen, einen monologisierenden Zeitungsverkäufer zu verkörpern, der mit schnoddrigem Hamburger Dialekt die Schlagzeilen der tagesaktuellen Boulevardpresse kommentiert. Sowas gibt’s schon, hat sogar 2005 einen Grimme-Preis in Gold gewonnen. Oder ist die Aufmerksamkeitsspanne der Zielgruppe so kurz, dass man annahm, Dittsche sei schon vergessen?

Die einzige blatante Kopie? Beileibe nicht: Zu dem Satz „Geld allein macht nicht glücklich.“ dichteten Kettcar schon im Jahr 2002 „Aber irgendwie doch besser im Taxi zu weinen als im HVV-Bus, oder nicht?“ Heute heißt es bei Petersen/Loenicker dazu in etwa „Besser in der eigenen Limousine zu weinen, als im vollbesetzten Bus“.

Das ganze findet unter der Regie von Henning „Sesamstraße“ Venske statt, der sich vor vielen Jahren mit dem Kinderhörspiel „Als die Autos rückwärts fuhren“ tief in mein Herz geschrieben hat. Diese Schallplatte war und ist ein prima Beispiel für anarchischen Humor, der subtil an Autoritäten wie Eltern und Lehrern kratzt. Doch leider war von dieser Spritzigkeit an diesem Abend nicht mehr viel zu sehen.

Die Pause kam und erlöste mich. Mit meinen Kollegen war es zum Abschied noch vergnüglich, danach spielte mir auf dem Weg zur Bushaltestelle am Winterhuder Markt mein iPod die 1:40 lange Antwort von Tocotronic auf solche Kleinstkünstler vor:

Ich will nicht schlecht über Euch reden / Ist ja doch bloß primitiv. / Ich verachte euch wegen / Eurer Kleinkunst zutiefst.

3 Responses to “Kleinstkunst am Freitagabend”


  • Wunderbar pointiert geschriebener Text. Ich teile Deine Meinung zum ewig verschnarchten und chronisch unwitzigen, typisch deutschen, Kabarett uneingeschränkt.

    Bleibt die Frage, wie das Programm beim Rest des Publikums ankam … tobte man stehend auf den Stühlen? Und: Was hast Du den Kollegen gesagt? „Sorry, muss früher weg. Hab Verdacht auf Fußschmerz und muss noch meine Haare waschen!“?

  • Sorry Georg, ich weiss es nicht.
    Ich bin einer der Kollegen, die erst gar nicht mitgekommen sind.
    Aber ich lasse mich gleich mal ins Boot holen.
    Bin schon gespannt.
    Vielleicht hätte ich den Blog erst hinterher lesen sollen.

  • Kein großes Geheimnis: Ich habe einfach gesagt, dass mir das Programm überhaupt nicht gefällt und dass ich deswegen nach der Pause nach Hause gehen werde.

    Nix mit Fußschmerz. Und Haare waschen ist ja bei mir auch keine Entschuldigung, dauert ja höchstens zwei Minuten. :-)

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