Ab und zu kommt es mal vor, dass mich Leute nach einer Schreibweise oder Formulierung fragen. In den meisten Fällen kann ich auch mit einer Antwort aufwarten, die den Fragenden zufrieden stellt.
Heute drehe ich den Spieß herum und richte mich mit einer Frage an die Leserschaft, in der sich ja auch die eine oder andere Person befindet, die dem guten Stil und der grammatischen Wohlgeformtheit nicht abgeneigt ist.
Vor ein paar Tagen schrieb ich:
Es ist grauenhaft, dieses herablassenhaft behandelt werden.
Irgendetwas ist falsch an diesem Satz. Es fehlt ein groß geschriebenes Wort in der Nominalphrase hinter dem Komma. Es handelt sich dabei einwandfrei um ein Gerundium (also das Phänomen, dass ein Verb zum Nomen wird, wie in „laufen“ und „das Laufen“). Also muss irgendetwas den Kern dieses Ausdrucks bilden. Aber was? „Herablassenhaft“? Nö, ist ja ein langweiliges Adverb. „Behandelt“? Hm. „Werden“? Ist ja nur ein Hilfsverb. Oder habe ich die neue Getrenntschreibung zu weit getrieben und es heißt „dieses Herablassenhaftbehandeltwerden“? Bin ratlos.
Oder bin ich auf dem stilistischen Holzweg? Jage ich einem Phantom hinterher? Schreit die Leserschaft gar „Argh, wie kann dieser Sprachverhunzer nur eine passive Verbalphrase nominalisieren? Geht gar nicht!“? Klingt ein solcher Ausdruck für alle außer mich so schräg, dass er nur als grenzwertig wohlgeformtes Deutsch durchgeht? Oder sogar die Grenze zur Ungrammatikalität überschreitet und für andere Ohren schlicht falsch klingt?
Hilf mir, oh sprachkundige Leserschaft, hilf einem ausrangiertem Linguisten!
Hmm. Was macht man da? Tatsächlich verursacht „herablassenhaft“ jenes mulmige Gefühl hinter meinen Ohren, das ein zucken zwingend zur Folge hat.
Mein Vorschlag:
Es ist grauenhaft, dieses herabgelassene Behandeltwerden.
Ist zugegebener Maße alles andere als ein Juwel; nicht mal Strass…aber etwas besseres fällt mir partout nicht ein.
Wie wärs mit:
Es ist grauenhaft, dieses herablassend behandelt werden.
oder
Es ist grauenhaft, so herablassend behandelt zu werden.
Das Wort „herablassenhaft“ kommt mir spanisch vor, aber ich weiß, was zu substantivierten Verben im Duden steht, und zwar:
1. Andere Formulierung finden:
„Es ist grauenhaft, herablassend behandelt zu werden.“
2. Aus 1 Phrase macht man 1 Wort. 1 Wort muß im Deutschen mindestens mit einem Bindestrich verbunden werden. Ein Substantiv muß groß geschrieben werden, und zwar vorne. Und weil das Verb zum Substantiv wird, muß es auch groß geschrieben werden. Alle Wörter in der Mitte der Phrase werden so geschrieben, wie sie sonst auch geschrieben werden. Ist z.B. ein Substantiv dabei, schreibt man: „Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren“.
Im Falle Deines Satzes:
„Es ist grauenhaft, dieses Herablassend-behandelt-Werden.“
an alle drei: Danke für die Hilfestellung in Sachen „herablassend“. Wäre mein Artikulationszentrum mein Angestellter, wäre für diesen Faux-pas eine fette Abmahnung fällig. „Herablassenhaft“? Was habe ich mir dabei gedacht?
Meine Quintessenz: In Zukunft zu versuchen, solche Nominalisierungen zu vermeiden.
Danke!
lady-kinkling: Ich wusste, auf wessen Fachkundigkeit ich in diesem Fall zählen konnte. :-)
Dazu, dieses tristtraurige Haiko (oder heißt er Heiko?!)
Grau,
in Haft,
Herablassenhaft
Oh, zu spät.
Für „herablassenhaft“ hast Du mindestens einen Orden oder ein paar hinter die Löffel verdient, ansonsten: was Lady Kinkling sagt.
Schön ist das nicht, da tut’s „Es ist grauenhaft, so herablssend behandelt zu werden“ wirklich besser.
Und Dertsatsikidings:
es heißt Haiku, und das da ist keins. Das hier ist eins:
Herablassenhaft
ist ein schlimmer Gehirnfurz
von Alexander.
Isabo: Danke, ich nehme den Orden. :-)
Ich freue mich, wenn ich weiterhelfen konnte! Muß im Nachhinein jedoch Nachlässigkeit aus Zeitmangel eingestehen. Daher folgende Ergänzungen:
Natürlich könne auch Hilfsverben substantiviert werden.
Genauer muß es heißen: „Und weil der Infinitiv zum Substantiv wird, muß er auch groß geschrieben werden“.