Offenbar hat die Schreibmaschinensammelei meines Vaters die Familie mehr beeindruckt, als ich es vermutet habe. Neben dem Kommentar meines Bruder zu dieser Episode schickte mir mein Vater selbst seine Sicht auf diese Zeit, die ich hier gerne als Gastbeitrag veröffentliche.
Also Jungs, das mit den Schreibmaschinen ist ja noch viel komplizierter als Ihr in Erinnerung habt. Eigentlich hat die Sammelei damit angefangen, ohne dass ich es wusste, als ich in einem Schrank eine vergessene Adler 7 fand, mit voll erhaltener Goldschrift. Die war schön. Und deshalb habe ich sie mir mit einem Haken wie ein Bild an die Wand gehängt. Es sah nur einfach schön aus, viele Jahre lang.
Dann kam der Selbstmord meiner Schwester und ich fühlte mich daran schuld. Ich weiß genau, dass ich damals anfing, das Ding zu putzen und zu reparieren. Dann sah ich auf einem Trödel eine Mignon, die war auch soooo schön, und auch zu reparieren. Aber zu teuer. Eure Mutter hat sie dann heimlich gekauft und mir geschenkt. Jetzt hatte ich zwei, war Sammler und fand immer mehr von diesen schönen alten Dingern (eine repräsentative Auswahl findet Ihr in den Auktionskatalogen unter www.breker.com), wozu natürlich bald die Bekanntschaft mit anderen Sammlern kam, woraus ein Verein wurde, mit Treffen und Zeitschrift, halt die deutsche Geselligkeit. Sammeln und Reparieren = Wiederherstellen!!! war Ausweg aus der Lebenskrise nach Schwesters Tod. (Alle Sammler haben einen Bruch im Leben und versuchen, durch die Sammelei wieder Sinn und Ordnung zu erzeugen).
Zuerst habe ich wie alle Anfänger auf die Quantität gesetzt, da ist Eure Erinnerung richtig. Bald standen 150 oder 200 rum, im Keller, in meinem Zimmer (nicht: im Wohnzimmer oder in der Küche! Und auch nicht in den Kinderzimmern, yes); und dazu natürlich unten im Bad, aber das
wurde sonst ja nicht gebraucht sondern war Werkstatt. Okay, im Laufe der Zeit habe ich mich von der Quantität hin zur Qualität verändert, und ab Mitte der 80er hatte ich nur noch ca. 50 Maschinen (vor allem von Jean-Pierre auf dem Pariser Trödel), die aber z. T. weltweit einmalig waren, weshalb das auch eine echt wertvolle Sammlung war. Als ich dann Ende der 80er die Habil geschafft und die Professur in Freiburg erhalten hatte und damit die Lebenskrise zu Ende gehen konnte, hörte das Sammeln und Reparieren auf, auch weil die wirklich seltenen Maschinen inzwischen zu teuer wurden. Was mich interessierte, war unter 10.000 DM nicht zu haben und die Trödel waren (auch in Paris) leergefegt. Ich habe dann alles auf einmal an einen Sammler verkauft, der eigentlich nur zwei Maschinen wollte (bzw. unbedingt haben musste). Alles oder nix, sonst wäre es traumatisch geworden.Also, wenn ich so Eure Erinnerung lese, sehe ich erst, dass Euch die Dinger irgendwie bedrückt haben. Aber ich hab versucht, Euch nicht damit zuzumauern und vergesst nicht: nie hatte Euer Papa so viel Knete inne Tasche wie damals. Sammlergeschäfte gehen bar und zumindest die
die 3 Kleinen wussten genau, wie man es schaffen konnte, davon etwas abzubekommen (Alexander war zu diesem Zeitpunkt ja schon ausgezogen).
Danke sehr, Papi. Bedrückt hat mich die Sammelei keineswegs, mir ist ja klar, dass wir alle sehr davon profitiert haben. Es ist aber ein komisches Gefühl, auf einem Trödelmarkt oder sonstwo eine alte Schreibmaschine zu sehen und dabei nicht nur zu denken: „Oh, eine alte Schreibmaschine“ sondern solche Gedanken zu haben wie: „Ach, eine Adler 7. Das ist ja nun wirklich keine besonders alte Schreibmaschine. Da habe ich im Leben schon ganze andere gesehen. Weck mich, wenn da eine ‚La Miniature‘ steht“.
Außerdem kann ich nicht ganz verhehlen, dass ich die Geräte auch sehr ästhetisch finde. Wenn ich ab und an mal ein besonders schönes Exemplar zu Gesicht bekomme, überlege ich manchmal, die Schreibmaschine zu kaufen, als Deko für das Wohn- oder Arbeitszimmer. Andererseits weiß ich genau, wo das hinführen kann und dann gehe ich ganz schnell weiter.
Übrigens: Ich schätze, über den letztes Satz Deiner Geschichte müssen wir bei Gelegenheit nochmal sprechen… :-)
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