Karneval reloaded

Mit 12 war es vorbei. Ich hatte keinen Spaß mehr dran, war mir alles zu spießig und verknöchert, das Gesinge, das Gejohle und die punktuell aufgetragene Fröhlichkeit auf Kommando zu einer festen Zeit im Jahr. Der richtig große Karnevalist war ich ohnehin nie. Mich zu verkleiden war nicht so sehr mein Ding und irgendwann nahm auch mein Interesse an Spielzeugpistolen dramatisch ab (die Patronen waren mir ohnehin immer schon zu laut), sodass der Karneval keinerlei Reiz mehr auf mich ausübte. Spätestens nachdem der W. in Karnevalslaune die Tür meines Zimmers, in das ich mich mit Freunden zum Das Schwarze Auge Spielen verbarrikadiert hatte, aus den Angeln hob — woraufhin sie den Rest meiner Verweildauer in diesem Zimmer nicht mehr richtig schloss — war Karneval für mich gestorben.

Die Studienzeit in der nicht gerade als Großspaßmetropole verschrienen Mittelstadt Osnabrück trug nicht dazu bei, mich wieder mit dem Karneval anzufreunden und meine pubertäre Abneigung zu überwinden. Der dort gefeierte Ossensamstag bestand darin, sich morgens beim Zug so gnadenlos zu betrinken, dass die Leute bereits am frühen Nachmittag nicht mehr auf der Straße waren — kein Wunder, sah die Stadt doch aus, als wären die Wagen nicht abgezogen, sondern explodiert.

Vor drei Wochen schlug die D. als überzeugte Kölnerin vor, ob wir nicht gemeinsam Karneval feiern wollten. Unter dem Einfluss von Hormonen stehend, sagte ich zu. Mir war schon ein wenig mulmig vorher: Was soll ich nur anziehen? Drei Wochen lang verschob ich die Entscheidung auf später, bis mir klar wurde, dass ich keinen blassen Schimmer habe, was ein angemessenes Kostüm ist und wo ich eins herbekomme. Außerdem glüht in meiner Brust auch noch ein Funken Düsseldorfer Lokalpatriotismus und ausgerechnet nach Köln zu fahren, war schon nicht ganz leicht. Zumindest habe ich mir geschworen, nicht allzu lauthals „Kölle Alaaf“ zu rufen.

Die Kostümfrage klärte sich dank des reichhaltigen Fundus der D. recht schnell. Als Matrose dürfe ich in Köln nicht gehen, wenn ich nicht als schwul gelten wolle, belehrte mich der Schwager am Freitagabend. Da blieb als Alternative nur die wunderbar grell orange Perücke mit den dicken Drähten, damit die Zöpfe auch zur Seite abstehen. Dazu ein dünnes Leibchen, das als Sommerkleid herhalten musste, und fertig war Pippi Langstrumpf. Noch nicht perfekt, aber für das erste Kostüm seit 25 Jahren nicht schlecht. Nichts im Vergleich zur Nana Mouskouri, in die sich die D. verwandelte, aber immer noch passabel.

Ohne die Details des Tages wiedergeben zu wollen: Mann, war das lustig. Was für eine Stimmung auf der Party am Nachmittag, die pünktlich um 17 Uhr beendet wurde und später am Abend im „gegenüber“ in Ehrenfeld (und „em Tresörche“ auf der Severinstraße zwischendurch). Was für kreative und liebevoll gestaltete Kostüme, die mir den ganzen Abend unter die Augen gekommen sind. Viel kindliche Erinnerung wurde wach bei den ganzen Liedern, die irgendwo in den Tiefen meines Gehirns abgespeichert waren. Sogar das Kölsch konnte ich gut trinken an dem Abend.

Respekt vor den Leuten, die es schaffen, an allen sechs Tagen loszuziehen. Ich war nach zwei Abenden so fertig, dass mir zwei Tage zum Ausspannen gut tun würden. Aber dafür hat man hier im Norden ja nicht viel Verständnis.

Ich nehme mit, dass es einen himmelweiten Unterschied gibt zwischen dem organisierten Karneval der Prunksitzungen und „Wolle mer se reinlasse?“-Fernsehübertragungen und dem voll Freude gefeierten Karneval abseits der Fernsehkameras und ewig gleich guckenden Clowngesichter. Gerne wieder.

10 Responses to “Karneval reloaded”


  • Ich bin froh, dass mir das erspart blieb. Im Kindergarten konnte ich mich noch nicht dagegen wehren – und ging als Bobby. Nur wenige Jahre später brauchte ich mich gar nicht mehr dagegen zu wehren – in Norddeutschland gibt es keinen richtigen Karneval.

  • Nur um sicherzugehen, dass ich das richtig verstanden habe, lieber bosch: Du bist in Kindergartenzeiten zu Karneval als britischer Innenminister aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegangen?

    Und warst möglicherweise frustriert, weil keins der anderen Kindergartenkinder Dich auf Anhieb erkannt hat? Weil Du Dich eher schlecht in die Cowboy und Indianer Kostümwelt einordnen konntest?

    Keine weiteren Fragen.

  • Ooooh, wo bleiben die Fotos?

  • Pippi Langstrumpf? -Okay
    Karneval? Na gut!
    Köln? äh..?…äh
    Kölsch!!!!! NO COMMENT -WRITTER IS IN A SHOCK KOMA
    Na denn, dreimal D´dorf Helau

  • @Alexander: NEIN! Als Londoner Polizist, das sah etwa so aus. Sie haben ihren Spitznamen „Bobby“ vom ehemaligen Innenminister.

  • Nach 7 Tagen Internetabstinenz bin ich auch auf die Bilder gespannt, denn einen persönlichen Bericht konnte ich ja nicht bekommen.
    Der folgt dann hoffe ich am 13.02.
    Bis dann.

  • bosch: Der Mann deckt jede Wissenslücke bei mir auf. Gnadenlos. :-)

  • Karneval war wie immer wieder super :-S

  • nutzt da noch jemand wikipä … äh?!

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