Die PARTEI in Georgien im Clubheim St. Pauli

Seit 16 Jahren bin ich treuer Abonnent der Titanic. Ich vermute, dass es nicht viele Langzeit-Abonnenten gibt, die nach Schule, Zivildienst und Studium immer noch dem monatlichen Satiremagazin aus Frankfurt die Treue halten; die meisten werden sich mit Mitte Zwanzig von dem Blatt verabschieden, davon bin ich fest überzeugt.

Höhen und Tiefen hat dieses Blatt mitgemacht, leider befindet es sich nach dem Abtritt von Martin Sonneborn vom Posten des Chefredakteurs in einer mehr oder weniger dauerhaften Krise. Wären da nicht die „Briefe an die Leser“, die immer exzellente „Humorkritik“ und das gaga-anarchische „Partner Titanic“ Heft-im-Heft, ich hätte schon lange den Plan wahrgemacht, der Redaktion mal eine Kündigungsbestätigung eines Titanic-Abos für die monatliche Statistik zur Bereinigung des Zeitschriftenmarktes zu schicken. Doch immer, wenn ich von dem Blatt genervt bin und die Beiträge eher lau und einfallslos finde, gibt es einen Lichtblick, der mich von dem Entschluss abbringt, das Abo zu kündigen (der zweite Grund ist, dass ich insgeheim darauf warte, doch mal eine goldene Ehrennadel als Langzeitabonnent zu bekommen). Der letzte große Lichtblick war die Gründung der PARTEI und die Teilnahme an verschiedenen Wahlen, Sonneborns legendäre Wahlwerbespots gehören zum Besten, was in der deutschen Satirelandschaft in den letzten Jahren produziert worden ist.

Auch dieses Mal war es ein Beitrag über die PARTEI, der einen solchen Lichtblick verkörperte. Der brillante Reisebericht über den Besuch einer PARTEI-Reisegruppe bei der Georgischen Arbeiterpartei ließ mich mit offenem Mund auf dem Sofa sitzen, den Kopf schüttelnd dachte ich „Das gibt es nicht. Wie kann man einen solchen Stunt abziehen und sich für den Bruch des Hitler-Stalin Paktes entschuldigen?“. Große, große Satire.

Gestern abend lud der Hamburger Ortsverein der PARTEI ein in das Clubheim des FC St. Pauli, um dort mit Bildern und Erzählungen von der Reise zu berichten. Wir waren zu siebt und stellten etwa ein Viertel des Gesamtpublikums im überschaubar gefüllten Vereinsheim. Nicht zu übersehen war, dass mindestens ein weiteres Viertel der Anwesenden sich aus den Reihen der Partei rekrutierte — wie immer leicht zu erkennen an den äußerst vielseitigen C&A Anzügen. Sogar der Bundesvorsitzende Sonneborn war anwesend, hielt sich aber bedeckt im Publikum.

Was ein unterhaltsamer Vortrag hätte werden können, wurde leider ein nur in manchen Teilen unterhaltsamer und über lange Strecken langwieriger Abend. Zu lang! Viel zu lang! So ein Vortrag darf nicht mehr als 75 Minuten dauern. Es ist nicht notwendig, mehr als eine Karte von Georgien zu zeigen und es reicht auch, vom selben Motiv nur ein einziges Foto zu zeigen, nicht gleich ein halbes Dutzend. Und bitte ein wenig am Vortragsstil arbeiten: Lediglich die Vorsitzenden der Landesverbände Hamburg und Baden-Württemberg hatten so etwas wie Bühnenpräsenz und ein wenig Erzählkunst am Leib. Die anderen Beitragenden auf der Bühne sollten sich davon ein Scheibchen abschneiden und vor dem nächsten Auftritt noch ein wenig üben, vor Leuten zu sprechen.

Versöhnlich zum Abschluss die kurze Ansprache von Martin Sonneborn: Der Mann hat eine Chuzpe wie nur wenige. Außerdem kann er sprechen. Das merkt man bei seinen Lesungen, beim Wahlkampf seiner Partei und auch an diesem Abend.

Ob ich nach diesem Abend der Zeitschrift einen neuen Vertrauensbonus einräume, weiß ich noch nicht. Ab wann kriege ich die Ehrennadel?

3 Responses to “Die PARTEI in Georgien im Clubheim St. Pauli”


  • Wer führt denn Hamburg an? Rocko Schamoni und Heinz Strunk sind doch nach der Bundestagswahl zurückgetreten, oder?

  • Der Hamburger Landesverband wird geführt von Alexander Grupe, die Herren Strunk und Schamoni traten gar nicht in Erscheinung. Gibt’s die noch?

  • Herr Strunk saß im Café vorgestern noch am Nachbartisch. Aber ich glaube politisch ist er nicht mehr so aktiv. Gleiches gilt wohl für Rocko Schamoni, auch wenn er nicht am Nachbartisch saß.

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