Literatur- und Mutterwochenende

An diesem Wochenende reichlich Kultur getankt: Museen und Lesungen, soweit das Auge reicht. Außerdem mal wieder die Stadtführerfähigkeiten aufpoliert, da die Mutter das erste Mal seit längerer Zeit zu Besuch war. Dass sie am letzten Wochenende nach Hamburg kommen würde, haben wir vor Monaten fest gemacht. Als die Ankündigung zur Bar 4.0 Bloglesung im Javahouse in Eimsbüttel durch die Blogosphäre der Freien und Hansestadt kolportiert wurde, war meine erste Reaktion „Oh weh, da kann ich leider nicht hingehen, habe ja Besuch. Dabei hätte ich gerne die Lu und den Mek wiedergesehen — und die anderen natürlich auch“. Einmal drüber nachgedacht, zweimal drüber nachgedacht, dann überlegt, dass sich Mutterbesuch und digitale Literatur ja nicht ausschließen. Immerhin liest sie seit zwei Jahren hier mit und freut sich daran, auf diese Weise etwas vom Leben des Sohns mitzubekommen, den es in die ferne Stadt verschlagen hat. Sie hatte auch nichts gegen die Idee, also war für die Abendveranstaltung gesorgt, die lange Nacht der Museen hatte das Nachsehen. A propos: Es gibt keinen besseren Tag, um ins Museum zu gehen, als der Nachmittag vor der langen Nacht. Selten so ein angenehm leeres Museum besucht wie die Ballinstadt an diesem Nachmittag.

Einlaufen vor dem Javahouse, nachdem wir uns noch beim Umdieecketürken mit Fast Food versorgt hatten, das wir pflichtgemäß auf den Treppenstufen vor einem Haus an der Osterstraße verspeisten. Großes Hallo zur Begrüßung. Und der Versuch einer Vorstellung: „Das sind Isa, Lu, Mek, Maximilian, das ist meine Mutter.“

Letztlich wurde mein Verhältnis zu Bloglesungen ja etwas getrübt. Doch all dies, was die Lesung im Rahmen des Wordcamps so schwer erträglich werden ließ, blieb an diesem Abend aus: Die Autoren waren mit dem Herzen bei der Sache, das Publikum aufmerksam und sehr konzentriert, die Texte waren mir weitestgehend bekannt, aber nicht totgelesen. Wunderbar. Viel besser als an dem Abend kann eine Bloglesung eigentlich nicht werden. Percanta hat einen interessanten Blick für die Perspektive des Zuhörers. Isa, Cem, Merlix und Lu beschreiben ihren Blick von der Bühne und ich habe ein paar Fotos gemacht.

Der Mutter hat es auch gut gefallen. Schön, sie im Gespräch mit den anderen zu sehen. Sie hat bei sowas ja keine Berührungsängste, geht auf die Leute zu und spricht sie an. Ich hätte wahrscheinlich nie festgestellt, dass der M. ein Ex-Freund einer Freundin meiner Schwester ist. Sie hat es schnell herausgefunden. OK, die Welt ist klein, und Düsseldorf ist ein Dorf, aber trotzdem.

Schön zu sehen, dass sie — obwohl längst in einem Alter, in dem viele Leute sagen: „Das mit dem Internet muss ich in diesem Leben nicht mehr lernen“ — sich auf diese Sachen einlässt und hinter dem Blogdings nicht nur kleine Geschichtchen aus dem Leben ihres Sohnes sieht, sondern auch die Dimension erkennt, dass dies eine Art Literatur ist, für die es noch vor fünfzehn Jahren keine Möglichkeit der Verbreitung gegeben hätte. Ich kann nur hoffen, dass sie bei der an diesem Abend gehörten Qualität nicht abwandert, ich würde einer der treuesten Leserinnen verlieren.